© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/00 27. Oktober 2000

 
Zeitschriftenkritik: Elternbrief
Widerstand gegen Anmaßungen
Werner Olles

Anfang der siebziger Jahre erließ der damalige hessische Kultusminister von Friedeburg für die Fächer Deutsch und Gesellschaftslehre sogenannte Rahmenrichtlinien. Literatur und Grammatik verloren ihren bisherigen hohen Stellenwert, statt dessen kam es nun in erster Linie auf "gesellschaftskritische Analysen" an. Der im Gefolge der 68er Kulturrevolution etablierte neomarxistische Unterton war unüberhörbar. Zudem unterschieden die Schul- und Bildungspolitiker nicht mehr nach differenzierten Schulformen. Es nahte die flächendeckende Einführung der integrierten Gesamtschule.

In dieser Situation gründeten besorgte Eltern, die sich nicht damit abfinden wollten, daß ihre Kinder in der Schule und auch zu Hause zwar über die gesellschaftlichen Auswirkungen der Kernenergie, des Ost-West-Konfliktes und der Rassenprobleme in Papua-Neuguinea diskutierten, aber zunehmend nicht mehr in der Lage waren, einen einzigen Satz in ihrer Muttersprache fehlerfrei zu schreiben, den "Hessischen Elternverein". Bildungspolitisch konservativ ausgerichtet, stand und steht dieser der Union nahe, die damals primär den Schulkampf gegen die linken Systemveränderer führte.

Die undemokratisch von oben herab erzwungene Gleichmacherei in den bislang unterschiedlichen Schulformen, die zwangsweise Einführung der Förderstufen als Gesamtschule für die Klassen fünf und sechs, die stark entschärften Versetzungsregeln, der Wegfall der Abschlußpüfungen am Ende der Hauptschule, das Mitspracherecht der Schüler bei der Notengebung, das Weglassen der Kopfnoten und die Wahl der weiterführenden Schule allein durch den Willen der Eltern waren einige der Themen, die der "HEV", der heute etwa eintausend Mitglieder zählt, mit seiner vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift Elternbrief problematisierte. Unter dem Motto "Eltern informieren Eltern" focht man für eine bessere Bildung, für komplette Unterrichtsversorgung, für eine leistungsfähige Schule und für bessere Zukunftschancen der Kinder.

"HEV" und Elternbrief standen auch im Schulkampf während der Amtszeit des Friedeburg-Schülers Hartmut Holzapfel (SPD), der als Kultusminister die Gesamtschule noch entschiedenerer befürwortete als sein Vorgänger, an vorderster Front. Seit dem Regierungswechsel in Hessen hat sich unter der neuen Kultusministerin Karin Wolf (CDU) die schulpolitische Lage merklich entspannt. Durch die Einstellung neuer Lehrer – ein wichtiges Wahlversprechen der Koch-CDU – sind die Stundenausfälle inzwischen deutlich zurückgegangen. Zudem wurden die Versetzungsregeln wieder verschärft, die Abschlußprüfungen in der Hauptschule wieder eingeführt, der alleinige Elternwille bei der weiterführenden Schulwahl beschnitten, und Kopfnoten sollen ebenso wie das Zentralabitur wieder eingeführt werden.

Diese Entideologisierung der hessischen Bildungspolitik ist nicht zuletzt ein Resultat des jahrzehntelangen mühevollen Kampfes des "HEV" und seiner Zeitschrift Elternbrief. Es lohnt sich also doch, Widerstand zu leisten gegen linke Anmaßungen.

Hessischer Elternverein, Liebfrauenstr. 8, 61440 Oberursel. Der Bezug von "Elternbrief" ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.


 
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