© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/00 27. Oktober 2000

 
Umweltliteratur auf dem absteigenden Ast
Bücher: Ein Gang durch die Frankfurter Buchmesse – Nachdenklichkeit und Nachhaltigkeit
Volker Kempf

Die großen Verlage erzielten einst mit Umweltschutzthemen Mas-senauflagen. Von den einschlägigen Titeln sind heute nicht viele übriggeblieben. Neuauflagen wird es vorerst keine mehr geben. Bei wissenschaftlichen Fachverlagen sind Titel zum Thema Umweltschutz unterdessen erst so richtig in die Blüte gekommen. Die Frankfurter Buchmesse vom Oktober 2000 bot die aktuellsten Neuerscheinungen auf. Ein Wettbewerb scheint um die einführende Literatur zur neuen Umweltökonomie stattzufinden. Jedenfalls kündigte die Nomos Verlagsgesellschaft zum Thema einen gut 200 Seiten umfassenden Band von Roland Hentschel und Markus Pasche an: Theoretische Grundlagen der Umweltökonomie. Der in Berlin ansässige Verlag Duncker & Humblot war etwas schneller und stellte seinen Band zum Thema Umweltökonomie vor. Dieser ist mit 565 Seiten recht umfangreich sowie mit Tabellen und Abbildungen angereichert. Mit 68 Mark ist ein solches Fachbuch beinahe schon konkurrenzlos günstig. Der Titel lautet Bausteine einer zukunftsfähigen Umwelt- und Wirtschaftspolitik. Eine praxisorientierte Einführung in die Neue Umweltökonomie und Ökologische Ökonomie.

Der Verfasser Holger Rogall sucht nach Möglichkeiten zur Umsetzung des Konzeptes Nachhaltigkeit und zeigt politische Hürden sowie Möglichkeiten und Unmöglichkeiten ihrer Überwindung auf. Einleitend gilt die Feststellung: "Wenn Politik als‚ ‘das rahmensetzende Handeln zur langfristigen Verbesserung der Lebensqualität Mensch’ definiert wird, sind die Politiker aller Systeme ... für den Umweltbereich ihrer Aufgabe nicht ausreichend nachgekommen, da sie bis heute nicht in der Lage waren, die Rahmenbedingungen für Produzenten und Konsumenten so zu gestalten, daß das langfristige Überleben der Menschheit in einer lebenswerten Umwelt gesichert wird". Angesichts solcher Sätze scheint es dem Verfasser offenbar notwendig, zu betonen, daß keine Untergangsszenarien präsentieren werden sollen, ebensowenig aber Ausflüchte in Zweckoptimismus in Frage kämen. Nüchterne, aber graphisch gut aufbereitete Fakten sowie Erörterungen über das Menschenmögliche will der Autor darbieten. Die traditionelle Ökonomie soll um den Faktor Umwelt erweitert werden. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Die Nomos Verlagsgesellschaft bietet als einer der wenigen Fachverlage eigens einen Prospekt mit Neuerscheinungen zum Thema Umwelt an. Es überwiegen umweltrechtliche Titel, Dokumentationen von Umweltrechtstagungen, aber auch weitergehende aktuelle Themen. Urs Dahinten hat über Demokratisierung der Umweltpolitik. Ökologische Steuern im Urteil von Bürgerinnen und Bürgern geforscht (175 Seiten, 59 Mark). Aber von Edmund Brandt herausgegeben, werden auch Perspektiven der Umweltwissenschaften angeboten bzw. noch für dieses Jahr angekündigt. Und beim Würzburger Verlag Königshausen und Neumann kündigt sich ein Band von Dieter Birnbacher und Gerd Brudemüller für den Monat Dezember 2000 an: Zukunftsverantwortung und Generationenkonflikt (ca. 300 Seiten, 48 Mark). Darin wird unter anderem versucht, das Vorsorgeprinzip gegenüber dem Konzept Nachhaltigkeit, das mit den Umweltkonferenzen in Mode gekommen ist, zur Geltung zu bringen. Die Umweltfachliteratur ist lebendig, wenngleich die aufsehenerregenden Titel mit Massenauflagen inzwischen wohl ihre Zeit hinter sich haben.


 
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