© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/00 27. Oktober 2000

 
Kapitulation des Kanzlers
Tierschutz: Regierung zieht sich aus der Verantwortung
Jörg Fischer

D er Deutsche Tierschutzbund rief kürzlich zum Protest gegen die betäubungslose Kastration von Ferkeln auf (die JF 42/00 berichtete). Eine entsprechende Aufforderung eines Bürgers liegt der JUNGEN FREIHEIT vor, das Antwortschreiben des Bundeskanzleramtes ebenfalls. Die Antwort beschönigt aber eindeutig die Tatsache der Tierquälerei, statt ernsthaftes Bemühen um Besserung an den Zuständen in der Schweinemast zu versichern.

Ernsthaft behauptet das Bundeskanzleramt im Antwortschreiben, daß die betäubungslose Kastration der Ferkel gar nicht so schlimm sei; eine Betäubungsspritze wäre schmerzhafter. Fragt sich nur, warum für Eingriffe an Tieren, wie es im Antwortschreiben selber heißt, "Paragraph 5 des Tierschutzgesetzes grundsätzlich eine Betäubung" vorsieht. Die betäubungslose Kastration sei, so der Sprecher des Bundeskanzlers, "für die Tiere nur mit kurzzeitigen und geringen Belastungen verbunden". Also alles prima in der Schweinemast? Das Bundeskanzleramt scheint dies selber nicht zu glauben, sondern fügt nahtlos an: "Möglicherweise werden sich nicht alle Wünsche und Erwartungen zum Tierschutz, die jetzt an die Bundesregierung herangetragen werden, verwirklichen lassen."

Der Ungereimtheiten offenbar bewußt, heißt es dann am Ende des Schreibens, die Verbraucher hätten die Möglichkeit, "durch eine bewußte Auswahl beim Kauf – zum Beispiel zu gunsten von Produkten aus artgerechter Haltung – zum Schutz und Wohlergehen der Tiere beizutragen." Warum die Bürger eigens Fleisch aus artgerechter Tierhaltung kaufen sollen, wenn doch angeblich in der Schweinemast alles in Ordnung ist, diese Antwort bleibt der Kanzler schuldig und verschwindet – wieder – aus der Verantwortung. Mit "Hillu" wäre das wohl nicht passiert.


 
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