© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/00 27. Oktober 2000

 
BLICK NACH OSTEN
Kostunica zu Besuch in Bosnien
Carl Gustaf Ströhm

Als im Außenamt von Sarajevo bekannt wurde, daß der neue Präsident Jugoslawiens, Vojislav Kostunica, sich zu einem Besuch in Bosnien-Herzegowina angesagt habe, herrschte helle Aufregung: Der serbische Hoffnungsträger war von den Bosniern keineswegs eingeladen worden – und er hatte ursprünglich auch nicht die Absicht, mit der bosnischen Regierung oder dem Staatspräsidium zusammenzutreffen.

Statt dessen erschien Kostunica in Trebinje, einer kleinen Stadt im Süden, unweit der Grenzen Kroatiens und Montenegros. Dieses Trebinje ist aus mehreren Gründen ein heißes Pflaster. Erstens gehört es zur "Republika Srpska", die im US-inspirierten Dayton-Vertrag aus der Taufe gehoben wurde und praktisch die Teilung Bosniens besiegelte. Denn die "Republika" ist ein mit fast allen staatlichen Attributen versehenes Gebilde und bis jetzt der einzige zu 90 Prozent "ethnisch gesäuberte" – das heißt von Nichtserben "befreite" – Staat in der Region. Die groteske Situation, daß in Bosnien eine moslemisch-kroatische Föderation einem kompakten serbischen Staatsgebilde gegenübersteht und daß beide dann wieder einen gemeinsamen Gesamtstaat bilden, der aber nur begrenzte Kompetenzen hat, ist eine von jenen westlichen "Erfindungen" die am grünen Tisch ausgeheckt wurden – als gesichtswahrender Kompromiß.

Ein Präsident aus Belgrad, der einen Besuch in Bosnien ausgerechnet in Trebinje beginnt, setzt interessante Akzente. Von Trebinje aus wurde einst das knapp 30 Kilometer entfernte Dubrovnik beschossen – wobei sich der örtliche Serbenführer brüstete, er sei der "Tourismusminister" von Dubrovnik. Jedesmal, wenn sich der Fremdenverkehr im kroatischen Süddalmatien notdürftig zu erholen begann, schickte er drei bis vier Granaten in Richtung Dubrovniker Flughafen – worauf vor allem die italienischen Feriengäste in Scharen die Flucht ergriffen.

Kostunica aber war nicht gekommen, um sich bei den benachbarten Dubrovnikern für die brutale Aggression seiner Landsleute zu entschuldigen, sondern um einen im Exil verstorbenen antikommunistischen, zugleich nationalistischen serbischen Dichter beizusetzen. Erst als sich die internationalen inoffiziellen "Gouverneure" Bosniens einschalteten – der Österreicher Petritsch und der Amerikaner Jacques Klein –, reiste er nach Sarajevo zu Gesprächen mit der bosnischen Führung, in der auch Kroaten und vor allem Moslems vertreten sind.

In Sarajevo, wo man den Ruinen und den Granateinschlägen aus der Zeit der serbischen Aggression und Belagerung auf Schritt und Tritt begegnet, wird Kostunica mit großem Mißtrauen betrachtet, weil er die Politik seines Vorgängers mit feineren Methoden fortsetzen könnte. Hinzu kommt, daß die Amerikaner, die im "SFOR-Land" die wichtigste Rolle spielen, zum Generalangriff gegen die sogenannten "nationalistischen" Parteien blasen und – was auf den ersten Blick grotesk anmutet – die "gewendeten" Neokommunisten protegieren.

Schon geht das Gerücht, die "Republika Srpska" (mit Banja Luka als Hauptstadt) werde demnächst an Kostunicas "Jugoslawien" angeschlossen – als Kompensation für den Verlust des Kosovo. Ein hoher österreichischer Diplomat kündigte nach Rückkehr aus Montenegro an, daß es bald den Begriff "Jugoslawien" auch in seiner eingeengten Bedeutung nicht mehr geben werde. Das alles deutet darauf hin, daß Kostunica eher ein Sturmvogel der Destabilisierung als ein Garant der Stetigkeit sein dürfte. Sorry, Slobodan (Milosevic), du warst berechenbarer.


 
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