© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/00 27. Oktober 2000

 
Freiheitlicher Korporierter wird Frauenminister
FPÖ: Die Steiermark-Blamage fordert ein erstes Opfer / "Soziale Kanten" sollen nachjustiert werden
Jörg Fischer / Martin Pfeiffer

Es war offensichtlich ein Kulturschock, daß jemand Sozialministerin wird, der nicht von der Gewerkschaft kommt. Dazu hat man es Frau Sickl von den Mitarbeitern im Ministerium, um es vorsichtig auszudrücken, von Anfang an nicht ganz leicht gemacht. Journalisten haben sich Frau Sickl herausgepickt und Interviews mit ihr zu einem komplizierten Quiz über Gesetzes-Paragraphen umgestaltet." Das sagte Susanne Riess-Passer schon am 5. April in der Neuen Kronenzeitung über ihre Parteikollegin.

Trotzdem war es überraschend, als die Vizekanzlerin und FPÖ-Chefin vergangenen Sonntagvormittag im Fernsehen verkündete, es werde einen Wechsel an der Spitze des Sozialministeriums geben. Denn die 60jährige Elisabeth Sickl schien sich – allen Anfeindungen zum Trotz – doch behauptet zu haben. Für den Wechsel wurden laut der scheidenden Ministerin "unterschiedliche Auffassungen über die künftige Regierungsarbeit" genannt. Der Abschied falle ihr schwer, sagte Sickl: "In der knapp neunmonatigen Amtszeit kann ich auf eine respektable Liste von Reformen verweisen", erklärte die aus der Umweltschutzbewegung zur FPÖ gekommene Politikerin. Sie verwies dabei vor allem auf die von ihr eingeleitete Pensionsreform. Die Kärntnerin scheidet ganz aus der Politik aus – das wurde nach einer mehrstündigen Sitzung des FPÖ-Vorstandes in Villach entschieden.

Ihr Nachfolger ist seit vergangenen Diensatg der langjährige freiheitliche Sozialsprecher Herbert Haupt. Er ist als Gesundheits- und Sozialexperte über die Parteigrenzen hinaus anerkannt. Wie Sickl stammt auch Haupt aus Kärnten. Er wurde 1947 in Seeboden geboren und ist von Beruf Tierarzt. Sein Studium absolvierte er – nach Ableistung des Präsenzdienstes – ab Mitte der sechziger Jahre in Wien an der Tierärztlichen Hochschule. In dieser Zeit wurde er neben seinem Engagement in der FPÖ auch in einer Studentenverbindung aktiv. Er trat nämlich der Landsmannschaft der Kärntner zu Wien bei – bis vor kurzem noch Mitglied im gesamtdeutschen Coburger Convent (CC) – und zeigte somit nicht nur seine Verbundenheit zu seiner Kärntner Heimat, sondern auch zum ganzen deutschen Volk. Neben Justizminister Dieter Böhmdorfer ist er nun der zweite schlagend Korporierte in der schwarz-blauen Regierungsmannschaft. Jährlich ist Haupt beim Ulrichsbergtreffen dabei, er war drei Jahre Herausgeber des Grenzlandjahrbuches. Er habe sich geschworen, Politik nicht als "Freund-Feind-Angelegenheit" zu betrachten – nach heftigen Debatten zwischen den katholischen Großmüttern, dem großbürgerlichen Großvater, der roten Verwandtschaft mit NS-Vergangenheit im Elternhaus im Kärntner Seeboden: "Sie können sich vorstellen, wie gemütlich es war, wenn alle am Mittagstisch aneinandergerieten" verriet er dem Wiener Standard.

Seit 1975 hat Herbert Haupt als Tierarzt eine Privatpraxis in Spittal an der Drau und ist seit 1985 Ersatzmitglied im Kammervorstand der Kärntner Tierärztekammer. Bis 1994 fungierte ferner noch als Beschautierarzt am dortigen Schlachthof. Vom Jahre 1980 ab war er mit Unterbrechungen Mitglied des Gemeinderates von Spittal. Seit 1997 ist er zweiter Vizebürgermeister dieser Stadt. Von 1978 bis 1999 war er Bezirksparteiobmann der FPÖ Spittal und von 1995 bis 1997 geschäftsführender Landesparteiobmann der FPÖ Kärnten. Am Bundesparteitag der Freiheitlichen in Klagenfurt am 1. Mai diesen Jahres stieg Haupt sogar zum Mitglied des Bundesparteivorstandes seiner Partei auf.

Er gehört seit dem 17. Dezember 1986 – damals wurde Jörg Haider Parteivorsitzender – als Abgeordneter dem Nationalrat an und gilt als Integrationsfigur innerhalb seiner Partei. Im Sozial- und Gesundheitsbereich kann Haupt auch als Betroffener sprechen: Einen schweren Schicksalsschlag mußte er im Jahre 1981 hinnehmen, als er nach einem Verkehrsunfall bereits klinisch tot war und während der Operation eine verseuchte Blutkonserve übertragen bekam. Seitdem leidet er an der unheilbaren Krankheit Hepatitis-C, die er jedoch mit Medikamenten beherrschen kann. Die Krankheit werde ihn aber im neuen Amt nicht einschränken, ist er überzeugt. Hat sie ihn doch auch nicht an den Segeltörns in der Karibik gehindert, zu denen Haupt manchmal mit Freunden, aber ohne seine Gattin, eine Spittaler Mittelschulprofessorin, aufbricht.

Er hofft auf einen leichteren Start als seine Vorgängerin und auf eine "gute Gesprächsbasis" mit dem Frauenressort, dem er als erster Mann vorsteht. Linke Frauenvereine "zittern" schon vor dem neue Minister, denn Sickl wurde von der eigenen Partei immer vorgeworfen, nur Organisationen zu unterstützen, die fleißig gegen die Regierung agitierten. Fast alle Frauenvereine sind SPÖ-nah – vom Frauennotruf über die Frauengesundheitszentren bis zu den Beratungsstellen. Selbst das FPÖ-nahe Unabhängige Frauenforum – das derzeit auf eine Subvention von 500.000 Schilling wartet – gilt nicht gerade als gutbürgerlicher Verein.

Die Opposition zeigt sich jedenfalls entsetzt, daß künftig ein Mann das Frauenressort führt. Die Grünen forderten neuerlich ein eigenständiges Frauenministerium. Aber auch Teile der ÖVP sind nicht besonders glücklich: ÖVP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat, gleichzeitig Frauenvorsitzende ihrer Partei, erwartet, daß sich Haupt auch in den Frauenbereich "engagiert einarbeiten" werde. "Ich werde auf jeden Fall als Frauenchefin den Dialog mit dem neuen Ressortleiter besonders intensiv suchen", sagte sie vergangenen Montag.

Renate Haupt hält ihren Mann hingegen für geeignet, denn "er ist in Spittal an der Drau Referent für Kindergärten und Schulen gewesen und hat Kontakt zu den Müttern gehabt. Er kennt die Problematik von Kleinkindern und die von großen", sagte sie dem Wiener Kurier.

Haupt will soziale "Kanten nachjustieren", die Pensionsbeiträge der Arbeiter senken und Betriebskindergärten fördern. Den Anti-Drogen-Wahlkampf der Wiener FPÖ unterstützt er: "Ich sehe von seiten des Sozial- und Gesundheitsressorts Handlungsbedarf. In der Drogeninformation ist einiges nicht ordentlich gelaufen, die Gefahren von Drogen sind in den Hintergrund getreten. Vieles, was an liberaler Politik gut gemeint war, hat nicht gut gewirkt", erklärte er dem linksliberalen Wiener Standard.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen