© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    43/00 20. Oktober 2000

 
Blick in die Medien
Containerguru
Ronald Gläser

RTL, letzter Sonnabend, beste Sendezeit: Der FDP-General Guido Westerwelle darf sein Image als Vertreter des eiskalten Neoliberalismus zurechtrücken und im Big Brother-Haus den humanitären Wohltäter spielen. Doch das Mitleid mit den hungernden TV-Knast-Insassen geht nahtlos in Mitleid mit dem Politiker über. Die freiwillig Inhaftierten interessieren sich mehr für die Lebensmittel als für die frohe liberale Botschaft. Endlich gibt es wieder Bier und Whiskey! Dann kommt er doch zu der von ihm zuvor per Pressemitteilung angekündigten "politischen Diskussion". Und welches Thema wäre als Einstieg für eine politische Debatte wohl geeigneter als ein kurzer Bericht über die jüngste Gewaltwelle gegen Synagogen? Nur Steffi ist sofort "total betroffen und erschüttert". 30 Minuten später wird sie vom Publikum abgewählt.

Doch eine wirkliche Debatte kommt nicht zustande. Big Brother-Teilnehmer wissen von Politik soviel wie der FDP-Generalsekretär von Astrophysik. Da ist die Vermittlung von Grundlagenwissen angesagt: "Die FDP ist in Deutschland die liberale Partei." Wer hätte das gedacht? Als Westerwelle nach einer halben Stunde zum Verlassen des Containers aufgefordert wird, bemerkt Christian, der Nominator: "Prima, der säuft uns hier sonst noch alles weg."

Im Zeichen höchster Einschaltquoten war die Stippvisite bei dem Spektakel sicherlich opportun. Nicht immer hat Westerwelle so gedacht: Vor dem Durchbruch der Voyeursendung teilte er im März per Presseerklärung mit, daß Big Brother die "Grenzen des guten Geschmacks hinter sich gelassen" habe.


 
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