© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    43/00 20. Oktober 2000

 
Auf der Anklagebank
Piech-Biographie: Schnipsel über einen Techniker der Macht
Ronald Gläser

Der VW-Vorstandsvorsitzende sei mächtiger als er selbst, beklagte sich einmal damalige niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder. Mit einer Viertelmillion Mitarbeitern ist der Volkswagen-Konzern der größte Autobauer Europas. Neben Audi und Seat gehören heute Rolls Royce, Bugatti, Bentley, Lamborghini und Scania zu dem weltweit agierenden Unternehmen. Die letzten fünf Automarken wurden unlängst von dem Mann eingekauft, der VW wie kaum ein anderer Chef geprägt hat und dessen Ära nach Worten des Autors dem "Ende entgegen" gehe: Ferdinand Piech.

Vom seit sieben Jahren amtierenden Vorstandsvorsitzenden Piech zeichnet Jürgen Grässlin in seinem Buch "Ferdinand Piech – Techniker der Macht" ein unfreundliches Bild. Piechs Karriere, die man immer vor seinem familiären Hintergrund sehen muß, hat in den sechziger Jahren bei Porsche begonnen. Der Ingenieur arbeitete sich anschließend bei Audi vom technischen Leiter zum Vorstandschef hoch. 1992 setzte er sich im Kampf um die Nachfolge des VW-Vorstandsvorsitzenden Hahn durch.

Grässlin beschreibt einen gleichsam autoritären und skrupellosen wie von Minderwertigkeitskomplexen geplagten Mann. Damit liegt er auf einer Linie mit prominenten Kritikern wie Stefan Baron, dem Chefredakteur der Wirtschaftswoche. Dieser kommentierte die Personalpolitik des Porsche-Enkels mit den Worten "Dieser Mann hätte nie VW-Chef werden dürfen." Nach dem Urteil den obersten Unternehmenssprechers ist dagegen ein Portrait "von durchgehender Niedertracht" entstanden.

Obwohl Piech 1937 geboren ist, meint der Autor gleich mit der ritualisierten Vergangenheitsbewältigung einsteigen zu müssen. Und so sind die ersten 37 Seiten sind der "Verstrickung" von Ferdinand Porsche, von seinem Schwiegersohn Anton Piech und natürlich vom Volkswagenwerk in das NS-Regime gewidmet. Piech und Porsche waren nach der Machtergreifung nolens volens NSDAP-Mitglieder geworden. Porsche avancierte zu einem wichtigen Rüstungsindustriellen und leitete im Krieg die Panzerkommission. Natürlich versagt sich Grässlin in diesem Kontext auch den gebetsmühlenartigen Verweis auf die Beschäftigung von Fremdarbeitern bei VW.

Was hat VW nicht alles getan, um die Vergangenheit des Konzerns aufzuarbeiten? Ende der 80er Jahre hat die Firmenspitze den Historiker Hans Mommsen (SPD) beauftragt, die Fakten über das Unternehmen während der NS-Zeit zusammenzutragen. Mommsen und sein Assistent Manfred Grieger wurden jahrelang durch den Konzern üppig alimentiert (leider verschweigt Grässlin die Höhe der Honorare) und legten 1996 eine tausendseitige Studie vor, die unter anderem Piechs in den fünfziger Jahren verstorbenen Vater "belastet". Ferdinand Piech stellte nach der Veröffentlichung eine einzige Frage, die auch Norman Finkelstein bei solchen Anschuldigungen vorträgt: Cui bono?

VW entschädigt seit Jahren die ehemaligen Fremdarbeiter. VW beteiligte sich auch als Gründungsmitglied an der Erpressungsinitiative der deutschen Wirtschaft. VW hat Manfred Grieger praktisch als hauseigenen "mea-culpa-Verkünder" engagiert. Es hat VW alles nichts genutzt. Es reicht immer noch nicht aus. Die Gegner von VW wollen noch die letzte Porsche-Schule umbenannt und an jeder Straßenecke in Wolfsburg ein Mahnmal errichtet sehen.

Da dies auch der Impetus des Autors zu sein scheint, fällt das Bild des Österreichers Piech sehr negativ aus. Das Portrait besteht aus teilweise zusammenhangslosen Schnipseln, die kaum länger als ein Absatz sind. Daß das Buch im Präsenz abgefaßt ist, macht es ein wenig lebendig. Gleichwohl bringt die sarkastische Sprache den Leser gelegentlich zum Lachen.

Der Leser erfährt allerdings wenig oder gar nichts über den Privatmann Ferdinand Piech. Sein persönliches Umfeld, seine politischen Ansichten oder seine Freunde wurden nicht weiter beleuchtet. Es geht nur um den Ingenieur und Unternehmer Piech. Und an dem wird kaum ein gutes Haar gelassen. Die unfreundlichsten Zeugnisse wie "Der geht über Leichen" werden allerdings auffällig oft von sogenannten "Insidern" oder anderen ungenannten Personen aus Piechs Umfeld ausgestellt.

"Ferdinand Piech, Techniker der Macht" ist wie ein schlechter Krimi, bei dem man den Mörder schon auf der dritten Seite kennt. Wenigstens macht der Autor aus seiner Sichtweise keinen Hehl.

 

Jürgen Grässlin: Ferdinand Piech, Techniker der Macht. Droemer Knauer, München, 2000, 400 Seiten, geb., 44,90 Mark.


 
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