© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    43/00 20. Oktober 2000

 
BLICK NACH OSTEN
Im Namen der "Meinungsfreiheit"
Carl Gustaf Ströhm

In vergangenen Zeiten, als Kroatien noch vom (angeblichen) "Diktator" Franjo Tudjman regiert wurde, war die (gleichfalls angebliche) Unterdrückung der Pressefreiheit in Kroatien ein Dauerbrenner für westliche Medien und Politiker. Nun ist Tudjman fast ein Jahr tot – und in Kroatien regieren die Linken, mit dem früheren Chefideologen der Tito-Kommunisten, Ivica Raoan, als Regierungschef.

Im Namen der "Medienfreiheit" haben die neuen rötlich gefärbten Herren sich als erstes des Fernsehens bemächtigt und dort eine ganze Kompanie von kommunistischen Journalisten installiert. Aber diese Machtposition genügt den Genossen nicht. Neuerdings bläst die Zagreber Linksregierung zum Sturm auf die einzige konsequent oppositionelle Tageszeitung des Landes, die in Split erscheinende Slobodna Dalmacija (Freies Dalmatien). Ein "liberaler" Minister der Zagreber Regierung proklamierte: "Befreien wir uns von diesem Freien Dalmatien!" Staatspräsident Masie bezeichnete das Blatt gar als "faschistoid" – weil es gewagt hatte, ihn zu kritisieren. Und einer der mächtigsten Männer der neuen Regierung, Vizepräemier Slavki Linia – ein bekannter KP-Funktionär aus Rijeka, der jetzt unter "sozialdemokratischer" Flagge segelt – kündigte an, er werde den Verwaltungsrat der noch nicht privatisierten Zeitung auswechseln und damit auch die "schwarze" (sprich: katholische) und "rechtsgerichtete" (sprich: regierungskritische) Linie des Blattes grundlegend ändern.

Unter der Überschrift "Die Regierung möchte das Freie Dalmatien zum Schweigen bringen", hat der (Noch-)Chefredakteur des Blattes Josip Jovic, in der Samstagausgabe einen dramatischen Appell an die Leser gerichtet, er beneide die (linken( Oppositionszeitungen der Tudjman-Ära – denn wenn der damilige Präsident einen Oppositionsjournalisten auch undfreundlich ansah, standen der Journalistenverband und die internationale Organisation zur Verteidigung der Meinungsfreiheit in Kroatien auf. Im Gegensatz dazu, schreibt Chefredakteur Jovic wörtlich, "steht zur Verteidigung des Freien Dalmatien gegen offene Angriffe, Drohungen und Verleumdungen, die von den Spitzen der staatlichen Hierarchie ausgehen, absolut niemand auf!" Die Zeitung aber sei in Wirklichkeit keineswegs ein "finsteres Rechtsblatt", sondern im Gegenteil das offenste und unabhängigste Blatt auf dem kroatischen Medienmarkt.

Der Zagreber Regierung wirft Jovic vor, sie habe im Lande tiefe Gräben aufgerissen, sie verfolge eine zweifelhafte pro-balkanische Politik, die sie als pro-europäisch tarne. Die Arbeitslosigkeit wachse, es drohe Inflation und es komme keinerlei Hilfe von der "uns angeblich so geneigten Außenwelt". Die Zagreber Regierung, so der Chefredakteur, bestehe aus "inkompetenten" Leuten, die allenfalls "ideologisch" (das heißt: kommunistisch) motiviert seien. Und wörtlich meint Jovic: "Wenn es (in Kroatien) in Wirklichkeit eine nennenswerte Rechte gar nicht gibt ... dann muß man sie gemäß den altbewährten (kommunistischen) Methoden erfinden, damit man die Repressionsmaßnahmen rechtfertigen kann".

Für die Tatsache, daß der Westen zu all dem schweigt, hat Jovic eine leider wohl zutreffende Antwort. Die Zagreber Regierung könne ungestört gegen unliebsame Medien vorgehen, weil sie die Unterstützung des Westens, der EU und der Amerikaner genieße. Die jetzige Zagreber Regierung sei dem Westen gegenüber gehorsam – und das sei das einzige, was im Westen interessiere.


 
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