© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    43/00 20. Oktober 2000

 
Kolumne
Besinnen
von Hans-Helmuth Knütter

Der Antifaschismus als letzter Rettungsanker des gescheiterten Sozialismus droht das politische Klima in Deutschland und in Europa zu vergiften. Hilflos und konzeptionslos treibt die CDU/CSU auf der antifaschistischen Welle mit, ahnt vielleicht, daß sich deren Tendenz gegen sie richtet, ist aber zur Distanzierung aus Furcht vor der Faschismus-Keule unfähig. Einige wenige, viel zu wenige CDU-Politiker haben den unheilvollen Weg erkannt und abgelehnt, sich von der antifaschistischen Propaganda vereinnahmen zu lassen. Dazu gehören die Vorsitzende Schnoor in Mecklenburg-Vorpommern und Roland Koch in Hessen.

Warum nur erkennt bei der CDU/CSU kaum jemand, daß die Hetze sich nur vordergründig gegen den "Rechtsextremismus" richtet, tatsächlich aber der Verunsicherung und Isolierung der CDU/CSU dient. Paktiert Rot-Grün doch schamlos mit der PDS, die CDU/CSU aber darf selbstverständlich nicht mit den "Rechten", etwa den Republikanern koalieren. Von dieser CDU/CSU in ihrem wirren Zustand droht keine Gefahr für die Pfründen. Von Ideologie, etwa sozialistischen Überzeugungen, ist bei Rot-Grün keine Rede. Ungebrochen aber ist die Postengeilheit. Und die Posten werden mit Zähnen und Klauen gegen jede Konkurrenz verteidigt.

Warum aber kapiert die CDU/CSU das nicht? Zum einen ist sie selber ein Produkt von 1945, das stolz auf die Wurzeln aus der Widerstandsbewegung hinweist. Zum anderen sind ihre traditionellen Milieubindungen an die Konfessionen und ans patriotische Bürgertum verfallen. Zum dritten hat sich in Deutschland das politische Klima zwischen 1978 und 1993 nach links entwickelt, wie das Institut für Demoskopie überzeugend belegt hat.

Opportunistisch läuft die CDU/CSU ihren Wählern nach, sie paßt sich dem vermuteten Zeitgeist an. Dabei ist es für sie überlebenswichtig, sich auf ihre antitotalitäre Tradition zu besinnen. Früher hat sie gleichermaßen den Extremismus von rechts wie von links bekämpft. Der einseitige Kampf gegen Rechts verschweigt und verharmlost die linke Gewalttätigkeit. Hinter dem Nebel der anti-rechten Propagandakampagne wird die eigene Herrschaft zementiert, von eigenem Versagen abgelenkt.

Diesem Verhalten sollte die CDU/CSU in ihrem Überlebensinteresse kämpferisch und offensiv entgegentreten und sich nicht durch den Mißbrauch der Faschismuskeule in die Defensive treiben lassen. Rot-Grün ist dabei, die freiheitliche demokratische Grundordnung durch eine antifaschistisch-volksdemokratische Ordnung zu ersetzen.

 

Prof. Dr. Hans-Helmuth Knütter lehrt Politikwissenschaft an der Universität Bonn


 
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