© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/00 13. Oktober 2000

 
Christoph Daum
Eine haarige Geschichte
von Alexander Schmidt

Der Fall Christoph Daum ist einer wie viele andere in der deutschen Medienlandschaft. Mit in den Raum gestellten Vorwürfen von Prostitution und Drogenaffären wird ein potentieller Kandidat für ein Traineramt vorerst kaltgestellt und in die Pflicht genommen, den Beweis der Unschuld selbst zu erbringen. Das sind die Auswirkungen eines bis zur Unkenntlichkeit verwandelten Rechtssystem, in dem noch vor der Anklage durch journalistische Richter das Urteilgefällt wird. Daß Christoph Daum eines der wenigen Opfer im Sportbereich auf dem großen Friedhof der modernen politischen Inquisition ist, kann fast vernachlässigt werden. Justizministerin Herta-Däubler Gmelin fühlt sich an Praktiken des Mittelalters erinnert, in dem der Gottesbeweis vor der Pflicht des Anklägers, einen Beweis der Schuld zu erbringen, an der Tagesordnung war. Zwar mußte Daum am Montag nicht über glühende Kohlen wandeln, sondern nur ein Haar zur Analyse geben, doch die Konsequenzen sind die gleichen.

Nachdem die Kampagne mehr und mehr Eigendynamik gewonnen hat, nahm Uli Hoeneß erstmals Daum vor den Angriffen in Schutz und drohte, jeden zu verklagen, der die um Daum kursierenden Gerüchte aufgreift. Hält das Feuergefecht um Drogen, Immobilien und Prostitution noch länger an, wird sich Rudi Völler als Nationaltrainer etablieren können. Immerhin haben die deutschen Kicker unter seiner Leitung wieder präsentablen Fußball gezeigt. Nicht wenige vermuten daher, daß die Vorwürfe gegen Daum vor allem dazu dienten, ihn als Nationaltrainer zu desavouieren. Doch die wahren Hintergründe des seit mehr als zehn Jahren schwelenden Konflikts zwischen Daum und Hoeneß dürften langsam keinem mehr wirklich nachvollziehbar sein.

Tatsächlich verbindet Völler und Daum mehr als nur die Ambitionen auf das Amt des Nationaltrainers. Beide stammen aus einfachen Verhältnissen, haben den Stallgeruch des Bodenständigen. Das Geheimnis ihres Erfolges sollte ihre Fähigkeit sein, dem Gegner einfach davonsprinten zu können. Daum, wegen seiner Größe und seiner Schnelligkeit im Mittelfeld oder als Spielführer eingesetzt, wurde jedoch Diplom-Sportlehrer. Er arbeitete damals als Lehrer mit einer halben Stelle, mußte aber bald feststellen, daß ihn der Job zwischen Tafel und Bänken nicht ausfüllte. Deshalb wurde er hauptamtlicher Trainer beim 1. FC Köln. Unter ihm gediehen Spieler wie Bodo Ilgner und Thomas Häßler.

Anders als Völler wählte Daum die Trainerbank als Karriereleiter. 1992 wurde er Deutscher Meister mit dem VfB Stuttgart und Deutscher Supercup-Sieger, 1994 gewann er mit Besiktas Istanbul den türkischen Pokal und den Supercup. Im Jahr darauf führte er den Verein zum türkischen Meistertitel. Ob er ab Juni 2001 auch die Deutsche Nationalelf wieder in die Oberklasse des Fußball zurückführen kann, wird sich zeigen.


 
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