© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/00 13. Oktober 2000


Spiel mit dem Feuer
von Ekkehard Schultz

Der Aufbau Ost sollte nicht kleingeredet werden. Der erste Blick auf das heutige Mitteldeutschland führt über sanierte Altstädte, Straßen- und Schienenwege hin zu neuen Einfamilienhaussiedlungen und Einkaufsparks. Mit einem erheblichem Kapitalaufwand wurden Projekte geschaffen, derer sich auch künftige Generationen rühmen können. Man denke hier nur an die Schaffung einer der modernsten Infrastrukturen Europas im Telekommunikationsbereich.

Trotzdem läßt sich der Eindruck nicht vollkommen abstreifen, daß es sich bei all diesen Fortschritten nur um eine schöne Fassade handelt. Die nackten Zahlen zeigen unerbittlich, daß das Wirtschaftswachstum in Mitteldeutschland schon seit vier Jahren weit hinter dem der alten Bundesländer hinterherhinkt. Den zarten Pflänzchen des heimischen Mittelstandes fehlt es nach wie vor am "Dünger" Kapital; die Risiken für Unternehmensgründer sind daher um ein vielfaches höher als in vergleichbaren Regionen Westdeutschlands. Auch der Fakt, daß jährlich Tausende junge Menschen nicht aus finanziellen Gründen, sondern aus generellem Arbeitsplatzmangel ihre Heimatregionen verlassen, kann kaum zur selbstgefälligen Beruhigung Anlaß geben.

Sich nur auf den Lorbeeren vergangener Tage auszuruhen, ist ein Spiel mit dem Feuer. Mitteldeutschland läuft Gefahr, zum "Mezzogiorno des Landes" zu werden, warnte erst kürzlich der Chef des renommierten Ifo-Instituts in München, Hans-Werner Sinn, in einem Interview. Noch ist es Zeit, diese Entwicklung aufzuhalten. Noch...!


 
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