© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/00 06. Oktober 2000

 
Adam und Eva aus der Retorte
Eine Literaturschau zum Thema Menschen, Gene und Gesellschaft
Dirk Zahn

Die Genforschung hat in denletzten zwei Jahrzehnten gewaltige Fortschritte gemacht. Genetische Methoden sind inzwischen so weit ausgereift, daß ihre Ergebnisse für viele geisteswissenschaftliche Gebiete von der Psychologie bis zur Geschichte von Nutzen sind werden. Im alten Streit zwischen Milieu- und Vererbungstheoretikern hat sich die Waage durch die Flut neuer Fakten langsam aber sicher zugunsten der letzteren geneigt. Ein Blick in populärwissenschaftliche Publikationen zum Thema lohnt sich.

Der erste Eindruck dabei ist: Humangenetik findet in Deutschland nicht statt. Von einem halben Dutzend Veröffentlichungen der letzten zwei Jahre ist gerade eines ein original deutschsprachiges, alle anderen sind angelsächsischer Herkunft. Und selbst dieses Werk, "Die IQ-Falle" des Bevölkerungswissenschaftlers Volkmar Weiss trifft das Thema nicht ganz, da es sich hauptsächlich auf nicht-genetische, gesellschaftswissenschaft liche Untersuchungen bezieht. Der Biologe Weiss, Jahrgang 1944, beschäftigte sich zu DDR-Zeiten in Leipzig mit Bevölkerungsstatistiken. Dabei stieß er auf Vererbungsmuster der Intelligenz, die nicht in die sozialistische Ideologie paßten. Diesem Thema und den sich daraus ergebenden sozialen Konsequenzen ist das vorliegende Buch gewidmet. Eventuelle Versuche, ihn in die "rechte Ecke" zu stellen, pariert Weiss mit dem Hinweis, daß Intelligenztests sowohl im Ostblocksozialismus als auch im Nationalsozialismus verboten waren.

Wirkliche Sachkunde muß man Weiss bei Beschreibung der gesellschaftlichen Konsequenzen einer erblichen bedingten Ungleichheit der Intelligenz bescheinigen. Es lassen sich Korrelationen nicht nur mit Einkommen oder Bildungsstand, sondern auch mit Partnerwahl, der Kriminalitätsrate oder der Unfallhäufigkeit feststellen. Weiss schildert, daß auch die DDR-Oberen, obwohl sie offiziell nichts von der Erblichkeit der Intelligenz und den sozialen Konsequenzen wissen wollten, sehr wohl ihre Konsequenzen, zum Beispiel bei der Familienförderung für studentische Paare daraus zogen.

Die Stärke des Buches liegt sicherlich in der sorgfältigen und kontrollierbaren Auswertung statistischer Untersuchungen. Ob man mit dem Autor dabei immer zu den gleichen Schlußfolgerungen kommt, ist eine andere Sache. Intelligenz ist sowohl erblich als auch sozial bedingt, und die beiden Anteile sauber zu trennen, fällt schwer. Das gilt besonders, wenn nicht Individuen, sondern Gruppen verglichen werden.

Wechselwirkung zwischen Genen und Sprachen

Die Schwächen in der Beurteilung der aktuellen genetischen Forschung sind jedoch nicht zu leugnen. Weiss’ Hypothese, daß das Auftreten eines einzigen Gens in zwei Variationen für die Intelligenzunterschiede verantwortlich sein soll, ist sehr unwahrscheinlich nach allem, was man über die Funktion von Genen weiß. Weiss selbst sieht sich in seiner Diskussion genötigt einzugestehen, daß neben einem Hauptgen auch noch viele andere beteiligt sein können. Dies ist eine Hypothese, die von dem Genetiker Robert Plomin vertreten wird, der auch als erster eine Korrelation zwischen der Häufigkeit einer Genvariation und Hochbegabung nachweisen konnte. Gerade diesem Robert Plomin wirft aber Weiss – anscheinend in Unkenntnis der Literaturlage – vor, er wolle mit seiner Suche nach einer Vielzahl intelligenzrelevanter Gene deren Entdeckung nicht fördern, sondern sie verhindern.

Einen umfassenden Blick auf das Thema "Vererbung" gestattet der Humangenetiker und Stanford-Professor Luigi Luca Cavalli-Sforza. Sforza, Jahrgang 1922, gehört zu den Pionieren der Humangenetik und hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher veröffentlicht. Mit "Gene, Völker und Sprachen" zeigt er die Wechselwirkungen zwischen genetischer Vererbung, der Verbreitung von Sprachen und kultureller Vererbung auf.

Man sollte sich nicht durch das antirassistische Getöse abschrecken lassen, mit dem das Buch beworben wird. Im ersten Kapitel konzentriert sich der Autor darauf, die Nichtexistenz von Rassen zu beweisen, wobei er jedoch von Anfang an inkonsistent argumentiert. Ob es nun Rassen nicht geben soll oder sie nur durch ihre äußerliche Erscheinung gekennzeichnet sind, oder ob es Unterschiede gibt, diese jedoch nicht zu unterschiedlicher Wertigkeit führt – das wird nicht so ganz klar. Im folgenden verlegt sich Cavalli-Sforza darauf, nicht von Rassen, sondern den Bewohnern verschiedener Kontinente zu sprechen. Dazu zählt er in Amerika und Australien nur die Ureinwohner und zieht in Afrika die Bevölkerung nördlich der Sahara ab. Im weiteren legt er dar, wie sich mit "genetischen Uhren" die Ausbreitung der Menschheit über den Globus und die Vermischung von Gruppen nachvollziehen läßt.

Besonders detailliert wurde Europa untersucht. Hier lassen sich mit Hilfe komplizierter statistischer Methoden aus einer Vielzahl genetischer Marker (DNA-Abschnitte, die in verschiedenen Varianten auftreten) mehrere Bevölkerungswanderungen oder -ausdehnungen nachweisen, die sich überlagert haben. Die wichtigste Komponente verläuft vom Vorderen Orient nach Nordwesten; sie charakterisiert die Ausbreitung der ersten Ackerbauern über das zuvor dünn besiedelte Europa vor ca. 8000 Jahren. Die Abnahme der zweiten Komponente von Norden nach Süden stellt vermutlich eine Anpassung an das Klima dar. Die dritte Komponente hat sich von den Steppen nördlich des Schwarzen Meeres verbreitet: Hier war der Ausgangspunkt indoeuropäischer Expansion. Die vierte und bereits schwache Komponente geht von Griechenland aus und zeigt die Expansion im zweiten vorchristlichen Jahrtausend. Die fünfte identifizierbare Komponente zeigt keine Expansion an, sondern ein Gebiet, das von den anderen Expansionen teilweise verschont geblieben ist. Die Basken sind genetisch und sprachlich den europäischen Paläolithikern am ähnlichsten geblieben. Ihre Sprache, (die sich selbstverständlich auch verändert hat) existiert seit etwa dreißigtausend Jahren.

Hier knüpft das zweite Thema des Buches an: Die Beziehung zwischen Sprachen und Genen. Daß die genetischen und die sprachlichen Stammbäume sich sehr ähnlich sind, verwundert kaum. Menschen lernen ihre Sprache meistens von Leuten, von denen sie auch ihre Gene haben. Ausnahmen bestätigen die Regel: Im Falle von Eroberungen kann einem ganzen Land von einer kleinen Gruppe Eindringlinge eine fremde Sprache aufgezwungen werden, ohne daß sich an den Genen wesentliches ändert. Das ist bei den Ungarn geschehen, deren Sprache keine Ähnlichkeit mit denen ihrer europäischen Nachbarn hat. Ihre Gene leiten sich aber nur zu etwa zehn Prozent von den asiatischen Eroberern ab, die die ungarische Sprache mit sich brachten. Auch der umgekehrte Fall tritt selten ein: Durch kontinuierliche Immigration oder Vermischung wandelt sich die Bevölkerung genetisch grundlegend, während die Sprache unverändert an die jeweils neuen Mitglieder weitergegeben wird. Aus dem Vergleich der Sprachen mit den Genen läßt sich so einiges über den Ablauf historischer Veränderungen erfahren.

Im weiteren Sinne gilt das auch für andere Kulturtechniken. Während jedoch die Sprachen alle ihren Zweck gleich gut erfüllen, wirken andere kulturelle Entwicklungen wie zum Beispiel landwirtschaftliche Techniken, Regeln der Familienplanung oder administrative Maßnahmen auf die menschliche Evolution, da sie die genetische Fitneß beeinflussen. Cavalli-Sforza zum Thema "Kultur als Mittel der biologischen Anpassung": "Es läßt sich also voraussagen, daß jede Entscheidung im kulturellen Bereich zwei Kontrollen überwinden muß: zuerst die der kulturellen Selektion, bei der das Individuum eine Wahl trifft, und danach die der natürlichen Selektion, die automatisch den Nutzen dieser Entscheidung hinsichtlich der biologischen Grunderfordernisse bewertet, die die Erhaltung der Art garantieren." Cavalli-Sforza legt detailliert dar, durch welche Mechanismen Kultur an die Mitmenschen "vererbt" wird, und vergleicht diese Mechanismen mit denen der biologischen Vererbung. Das wahrscheinlich am besten belegte Beispiel für diese Wechselwirkung ist das Gen für das Enzym Lactase, das es Erwachsenen ermöglicht, Milch vollständig zu verdauen. Bei Völkern, die seit einigen Jahrtausenden Milchwirtschaft betreiben, ist es bei fast allen Individuen vorhanden; bei den anderen hingegen fehlt es weitgehend.

Ein ebenfalls etablierter Wissenschaftler ist Dean Hamer, Direktor am amerikanischen National Cancer Institute. Einer größeren Öffentlichkeit wurde er bekannt, als er 1993 das vor allem bei Aidskranken auftretende Kaposi-Sarkom genetisch untersuchte und dabei einen Zusammenhang zwischen dem genetischen Marker Xq28 und dem Auftreten homosexueller Orientierung bei Männern entdeckte. Ob es sich dabei um einen ursächlichen Zusammenhang handelt, wird kontrovers bewertet.

Ein einziges Gen hat mehr Einfluß als soziale Faktoren

In seinem Buch "Das unausweichliche Erbe" schildert er nicht nur die Geschichte dieser Untersuchung, sondern auch Fälle, in denen sich ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Temperament und Genen erwies. Von Hamer aufgedeckt und überprüft ist der genetische Hintergrund einer Verhaltensweise, die er als "Suche nach neuartigen Erfahrungen" bezeichnet. Das D4DR-Gen bringt einen Rezeptor für die Erkennung des Neurotransmitters Dopamin hervor. Dopamin gilt als eine Chemikalie, mit dem im Gehirn angenehme Empfindungen signalisiert werden. Variationen im D4DR sind für etwa fünf Prozent der Unterschiede bei der Neugier untersuchter Personen verantwortlich. Dies ist immerhin ein Zehntel der gesamten erblichen Komponente dieses Verhaltens. Auf nichterbliche Einflüsse hingegen entfallen ebenfalls knapp 50 Prozent. Von den nicht-erblichen Einflüssen ist nur der geringere Teil gesellschaftlich bedingt. Biologische Faktoren wie die vorgeburtliche Umgebung und zufällige Ereignisse wie Krankheiten und Unfälle überwiegen. Ein einziges Gen hat somit einen stärkeren Einfluß auf diese Charaktereigenschaft als soziale Unterschiede.

Der Autor diskutiert für weitere persönliche Eigenschaften wie Intelligenz, Eß- und Suchttendenzen sowie die Aggression den Stand der Genforschung. Dabei macht er stets klar, daß genetische Unterschiede keine gesellschaftlichen Wertunterschiede determieren. Gene entscheiden vielleicht darüber, ob jemand aggressiv ist. Sie bestimmen aber sicher nicht, ob diese Aggressivität in gesellschaftlich erwünschte Bahnen gelenkt wird. Hamer weist die Vorstellung zurück, daß wir den Genen willenlos ausgeliefert sind.

Umfassend stellt der britische Wissenschaftsjournalist Matt Ridley in "Alphabet des Lebens" unser heutiges Wissen um das menschliche Genom zusammen. Er recherchiert sorgfältig , schreibt auch bei komplizierten Zusammenhängen verständlich und unterhaltsam.Bei der Fülle des Materials fällt es schwer, eine Zusammenfassung zu geben.

Er referiert nicht nur die Fakten, sondern erzählt die Dramen und Tragödien, die mit so manchem Gen verbunden sind. Faszinierend und unheimlich zugleich wird es dort, wo den "egoistischen" Genen eine Rolle zuzukommen scheint, die vom Individuum und der Art losgelöst ist. So befinden sich das geschlechtsbestimmende X- und Y-Chromosom in Konkurrenz zueinander. Im Gegensatz zu den anderen Chromosomen ist hier nicht jedes Gen auf dem gegengeschlechtlichen Chromosom in gleicher Weise vorhanden. Deswegen kann sich ein Gen auf dem weiblichen X-Chromosom in größerer Zahl verbreiten, wenn es die Entstehung von männlichen Wesen verhindert und umgekehrt. Ein unsinnige Theorie ? – Falsch. Bei der Schmetterlingsart Acrea encedon ist genau das eingetreten; es gibt dort nur noch vier Prozent Männchen. Auch im menschlichen Genom gibt es Anzeichen datür, daß in der Vergangenheit die Geschlechterverteilung heftig schwankte. Sollte der Amazonen-Mythos eine genetische Grundlage haben?

Nachdenklich stimmt der molekulare Parasitismus, den Viren am Menschen betreiben. Die menschliche DNA enthält zu nur drei Prozent echte Gene, die Informationen über den menschlichen Körperaufbau liefern. In dem übrigen "DNA-Schrott" verbergen sich die Genome von mehreren tausend Virenarten, die sich mit Hilfe des Enzyms der roversen Transkriptase dort selbst eingebaut haben. Zusammen kommen sie auf 1,3 Prozent der DNA. Ernüchternd für die Krone der Schöpfung.

Uberhaupt, der Mensch: Das Human Genom Projekt geht von einer falschen Prämisse aus, so Ridley. Untersucht wird nur das Genom eines einzelnen Menschen. Das Genom der Menschen unterscheidet sich jedoch und diese Differenzen sind das wirklich Interessante. Ob man für bestimmte Krankheiten anfällig ist, Blutgruppe A, B oder O hat; blonde, schwarze oder keine Haare: Das hängt alles von winzigen Variationen ab, und niemand wird wohl behaupten, daß es so etwas wie eine "normale" Blutgruppe oder Haarfarbe eines Menschen gibt und die anderen aus dem Schema fallen. Das Prinzip der Variablilität gilt auch für genetisch homogenere Gruppen wie die Isländer oder die Ashkenasim-Juden. Für letztere hat sich in den USA sogar ein eigener Verein für genetische Untersuchungen und Beratung etabliert, der Eheschließungen zwischen Partnern mit gleichartigen gesundheitsgefährdenden Genvarianten (für die Cystische Fibrose) verhindern will.

Ridley scheut auch kritische Themen wie die Eugenik und Eingriffe ins menschliche Erbgut nicht. Dabei bezieht er eindeutig Position als "Liberaler", der genetische Eingriffe in jedem Fall erlaubt wissen will.

Nicht unterschlagen werden soll die Position der klassischen "Die Gene sind es nicht"-Fraktion. Unter diesem Titel veröffentlichten die einflußreichen Biologen Steven Rose, Leon Kamin und Richard Lewontin vor zwanzig Jahren ein Buch, in dem sie den Einfluß der Gene auf das menschliche Verhalten bestritten. Bis heute ein überzeugter Umweltdeterminist geblieben, setzt Steven Rose seinen zunehmend aussichtsloser werdenden Kampf auch in dem Buch "Darwins gefährliche Erben" fort.

Leider merkt man dem Inhalt des Buches genau das an, was Rose selbst unverblümt zugibt: Die gesamte Biologie bis hinab auf das Niveau der Moleküle wird von ihm unter dem Gesichtspunkt ihrer politischen Folgen betrachtet, und seien diese auch nur hypothetisch denkbar. Antifaschismus wird dabei zum Zentrum jeglicher Wissenschaft. Rose scheut deswegen die Auseinandersetzung mit neuen Forschungsergebnissen. Statt dessen entwirft er eine Geschichte der Biologie und der Genetik, die auf subtile Art so zurechtgebogen ist, daß sie zu seinen politischen Ansichten paßt. Er unterschlägt bei der Beschreibung der Embryonalentwicklung, daß inzwischen jene Gene entdeckt worden sind, die die Entwicklung steuern (was der Deutschen Nüsslein-Volhard den Nobelpreis einbrachte). Dadurch kann er die These verbreiten, auf unerklärliche Weise würde die Entwicklung der einzelnen Körperteile durch ihre Umgebung geprägt

Ausgewogener berichtet der "Digest" der Heidelberger Zeitschrift Spektrum der Wissenschaft über Gene und Verhalten. Der Band enthält Artikel, die dort seit 1995 veröffentlicht wurden. Verfasser sind Wissenschaftler, die selbst an der Entdeckung der Gene mitgearbeitet haben. Während sich manche Autoren eher mit den molekularen Details beschäftigen, wagen andere einen Blick auf gesellschaftliche Konsequenzen. So versucht sich Dean Hamer mit einem Science-fiction-Bericht über das Kinderkriegen im Jahr 2250, und der Ethologe Frans de Wal resümiert die Kontroverse zwischen Behavioristen und Genetikern. Diesen Gegensatz "Gene oder Umwelt" möchte er überwunden wissen. Nachdem er auf die unübersehbaren Fortschritte der Verhaltensgenetik hingewiesen hat, führt er aus: "Das Problem eines ideologischen Mißbrauch ist damit freilich nicht gelöst. Die Lage wird höchstens schlimmer. Solange Menschen sich politische Richtlinien und Ziele definieren, werden sie das Wesen des Menschen in der einen oder anderen Weise dementsprechend ansetzen. Konservative Kreise heben gern auf die egoistische Natur des Menschen ab, andere pochen darauf, daß wir aufgrund unserer Evolution dafür gemacht seien, uns sozial und kooperativ zu geben. Daß ganz offensichtlich beide Ausrichtungen irgendwo recht haben, zeigt nur, wieso ein zu simpler genetischer Determinismus falsch ist."

"Die Gene sind es nicht" – auch das wird vertreten

Bezeichnenderweise ist der einzige deutsche Beitrag zu dem Band kein genetischer, sondern ein soziobiologischer. Eckart Voland, Professor für Biophilosophie an der Universität Gießen, hat die Kindersterblichkeit in Norddeutschland im 18. und 19. Jahrhundert untersucht. Dabei stellen sich statistische Zusammenhänge heraus, die beunruhigen. Die Uberlebenschancen der Kinder scheinen weniger vom sozialen Status der Eltern bedingt, als man das vermuten sollte. Vielmehr mußten auch in wohlhabenden Bauern-Familien die Kinder sterben, die das ungeteilte Erbe und damit den Fortbestand der Familie gefährdeten. In besitzlosen Arbeiterhaushalten hingegen lag die Kindersterblichkeit zum Teil niedriger. Der Zusammenhang mit der Genetik des Verhaltens ergibt sich – nach Volhard –, wenn man die "genetische Fitneß", also die Zahl der sich ebenfalls erfolgreich fortpflanzenden Nachkommen berücksichtigt: Sowohl das Verhalten der Bauern als auch das der Arbeiterpaare diente dazu, diese zu erhöhen.

Neben diesen eher gesellschaftswissenschaftlich ausgerichteten Artikeln berichten Wissenschaftler über aktuelle Entwicklungen auf den Gebieten der Intelligenzforschung (Robert Plomin und John C. DeFries), des Lernens (Joe Z. Tsien), sowie der "inneren Uhr" (Michael W. Young). Auch die genetischen Ursachen von Verhaltensauffälligkeiten und Krankheiten dürfen nicht fehlen: Hyperaktivität, Depression und Autismus werden abgehandelt.

 

Luigi Luca Cavalli-Sforza: Gene, Völker und Sprachen. Die biologischen Grundlagen unserer Zivilisation. Hanser, München 1999, 252 Seiten, 45 Mark

Dean Hamer und Peter Copeland: Das unausweichliche Erbe. Wie unser Verhalten von unseren Genen bestimmt ist. Scherz, München 1998, 384 Seiten, 44,90 Mark

Volkmar Weiss: Die IQ-Falle: Intelligenz, Sozialstruktur und Politik. Leopold Stocker Verlag, Graz 2000, 312 Seiten, 39,90 Mark

Steven Rose: Darwins gefährliche Erben. Biologie jenseits der egoistischen Gene. C.H. Beck, München 2000, 363 Seiten, 49,80 Mark

Matt Ridley: Alphabet des Lebens – Die Geschichte des menschlichen Genoms. Claassen, Hamburg 2000, 424 Seiten, 39,90 Mark

Spektrum der Wissenschaft –Digest 2/2000:Gene und Verhalten. 82 Seiten, 16,80 Mark


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen