© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/00 06. Oktober 2000

 
Meldungen

Leipziger Intendant: Theatersystem ist Luxus

LEIPZIG. Der Leipziger Schauspiel-Intendant und Regisseur Wolfgang Engel hat das deutsche Theatersystem kritisiert. "Ich halte das Theater für unerschütterlich, aber glaube, daß das deutsche Theatersystem untergehen wird", sagte der 57jährige in einem Gespräch mit der Deutschen Presseagentur (dpa) in Leipzig. "Wir sind zu teuer", meinte er. "Ich glaube nicht, daß wir uns diese Art von Luxus länger leisten können." Was durch die deutsche Kleinstaaterei an eigenen Theatern entstanden und heute städtisch ist, sei einmalig. Die nötigen Fusionen bedeuteten aber auch immer einen Verlust an regionaler Identität, meinte Engel. "Bei allen multikulturellen und globalen Gedanken geht das verloren", bedauerte er. Dabei brauche es die kleinen Theater, damit sich der Schauspieler- und Regisseur-Nachwuchs in Ruhe entwickeln könne. Allerdings sorge die Medienbranche von der Werbung bis zum Fernsehen auch dafür, daß die Schauspieler sich anders orientierten: "Mit einem guten Gesicht verdienen sie an zwei, drei Drehtagen pro Monat mehr als in einem Jahr im Theater." Nach der Wende sei Theatermachen im Osten schwieriger geworden. Kritisch sieht Engel das vom Westen übernommene Gesetz, nach dem Künstler nach 15 Jahren Betriebszugehörigkeit unkündbar sind. "Damit sind die Zustände an den ostdeutschen Theatern bis 2030 zementiert", meinte er. Das bringe auch sein Haus immer mehr in Schwierigkeiten.

Berufsverbote für Linke zurückgenommen

BALINGEN. 23 Jahre durfte der Tübinger Anton Brenner nicht Lehrer werden: Nach der Referendarzeit war der ehemalige DKP-Genosse 1977 unter den "Radikalenerlaß’" gefallen. Doch seit September diesen Jahres darf der 50jährige Betreiber eines Kopierladens nun an der Kaufmännischen Schule in Balingen (Zollernalbkreis) unterrichten, wie er zuvor vom Tübinger Oberschulamt erfuhr. Der Vertrag ist zunächst auf ein Jahr befristet. Als "späte Bestätigung" sieht der Lehrer für Deutsch und Katholische Religion das Ende seines Berufsverbots. Sein Mandat als Stadtrat für die "PDS/Tübinger Linke" will er weiter wahrnehmen. Brenner ist einer von acht Betroffenen in Baden-Württemberg, die auf ihre Rehabilitation warten. Die jüngsten Anträge gingen Anfang des Monats im Kultusministerium ein. In vier Fällen, so die Stuttgarter Kultusministeriumssprecherin Gerda Windey, gab es bisher "ein Signal an die Oberschulämter", mit ihnen Probearbeitsverhältnisse abzuschließen. Bereits 1995 wurde vom Europäischen Gerichtshof die deutsche Praxis von Berufsverboten kritisiert, die unter SPD-Kanzler Willy Brandt initiiert wurden.


 
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