© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/00 06. Oktober 2000

 
UMWELT
Wofür Turnschuhe gut sind
Volker Kempf

Es gibt neben dem Rassismus, der eine unterschiedliche Wertigkeit von Menschenrassen unterstellt, auch einen sogenannten Spezizismus.

Die Menschen verstehen sich als das auserwählte Volk unter den Tieren. Sie packen den Tiger in den Tank und verschlingen Rinder und Schweine als ein Stück Lebenskraft. Dabei werden die natürlichen Ressourcen gedankenlos verbraucht: Das Ende der Vorräte an Erdöl, Erdgas und Kohle ist schon jetzt abzusehen. Die Tiere werden "genutzt" – ohne Rücksicht auf Verluste. Die Rechnung wird so ohne den Wirt gemacht.

Der "stumme Frühling" war ein erster Mahnruf hiergegen, dem mit dem Rinderwahnsinn ein weiterer folgte. Da nicht alle Menschen taub sind, stieg der Wert der unberührten Natur wie auch der Tiere bei vielen Menschen an. Sogar ein italienischer Werbespot für Adidas-Turnschuhe konnte sich davon anstecken lassen: Ein sportlicher Typ findet in einer Straßenpfütze einen verlorengegangenen Fisch, ergreift diesen und schreitet zur Rettung über Autos hinweg und durch eine Autowaschanlage hindurch, um erst an der Kaimauer stehen zu bleiben. Hierzu muß der Läufer, da er keine Zeit verlieren will, abrupt abbremsen. Möglich ist dieses schnelle Abbremsen natürlich dank der angepriesenen deutschen Markenturnschuhe. Der Fisch fliegt ins Wasser, und das Publikum ist begeistert – und kauft dann möglicherweise sogar die teuren Schuhe.

Dies ist eine diesmal geglückte Verbindung von Tierschutz und Spaß. Von so viel Kreativität kann man in Deutschland zur Zeit nur träumen: Hier wird man tagtäglich entweder mit äußerst triefender Moral oder mit äußerst platten Witzen abgespeist.


 
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