© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/00 29. September 2000

 
Die ewigen Leiden des älteren H.
Mit seinem ersten Roman und einer neuen CD unternimmt Klaus Hoffmann Reisen zu sich selbst
Thorsten Thaler

Berlin, Ende der sechziger Jahre: Paul Lachmann, 17 Jahre, großgeworden in einfachen Verhältnissen, ordentlicher Schulabschluß, Lehrling in einem Geschäft für Eisenwaren, könnte in diesen studentenbewegten Zeiten ein aufregendes Leben führen. Doch der musikalisch veranlagte, träumerische Junge ist unzufrieden – mit sich, seinem Zuhause, der Arbeit, der ganzen Welt. "Nach außen vermittelte ich das Bild eines dynamischen, intelligenten jungen Mannes (…) Aber innerlich. Innerlich war ich ein siebzehnjähriges Wrack. Ein stillgelegtes Erzwerk. Ein Hochofen, der auf seinen Abstich wartet. Angefüllt mit blubbernden, glühenden Flüssen aus Mineralien und Erzen, die völlig ungenützt im Innern eines dampfenden Vulkans trübsinnig ihre Runden drehen." Mit der aufkommenden Studentenrevolte hat Lachmann nicht viel am Hut. "Ich stand nicht auf Ismen. Ich wollte kein Leninist, kein Maoist oder DKPist sein. Ich haßte Parteien und Vereine. Ich wollte irgendwie selber sein."

Nach der Lehre will Paul Lachmann der Enge des Alltags entfliehen. Sein Freund Sigi schildert ihm Afghanistan als ein Land wie im Märchen. "Ich hatte Zeit. Ich hatte sowieso nichts vor. Meine Lehrzeit war beendet und ich wußte nicht weiter. Es könnte alles nur besser werden", denkt Paul und macht sich mit Sigi auf zu einem Abenteuer, das sie in ferne Welten und nah zu sich selbst führen soll.

"Afghana", der erste Roman des 1951 in Berlin geborenen Sängers und Schauspielers Klaus Hoffmann, erinnert in seiner Grundierung – gebrochener jugendlicher Held auf der Suche nach dem eigenen Lebensglück – an Ulrich Plenzdorfs "Die neuen Leiden des jungen W." Die Assoziation kommt nicht von ungefähr. In dem gleichnamigen Film gelang Klaus Hoffmann 1976 mit der Darstellung des 17jährigen Edgar Wibeau der Durchbruch als Schauspieler. Auf die Auszeichnung mit der "Goldenen Kamera" und dem "Bambi" folgten eine eigene Fernseh-Show sowie weitere Film- und Theaterrollen. Seit Mitte der siebziger Jahre steht Hoffmann zudem als Sänger auf der Bühne, 1979 absolvierte er seine erste große und ausverkaufte Deutschland-Tournee.

Nach 25 Jahren im Musikgeschäft und ebensovielen Alben erscheint in der kommenden Woche seine neue CD "Melancholia". Die 13 Lieder darauf sind eine Mischung aus Charles Aznavour und Reinhard Mey, gefühlsbetont, nachdenklich, ausdrucksstark. Die CD und seinen autobiographisch gefärbten Roman sieht Hoffmann als symbiotische Einheit, gezielt will er die Synergieeffekte nutzen. "Ich weiß nicht, was zuerst war, das Buch oder die Idee von den Liedern", schreibt er in einem Begleittext. "Beide hatten dasselbe Thema, aber das wußte ich erst, als das Buch entstand und die Lieder sich aneinander reihten wie Perlen zu einer Kette." Konsequent endet das Buch mit Gedanken Paul Lachmanns, die sich auch als Refrain auf der CD finden: Ich bin, ich bin, ich bin. / Ich sing es leise vor mich hin. / Ich würd so gerne bleiben, / doch ich kenn mich hier nicht mehr aus. / Anderswo bin ich zu Haus. Und so muß der in die Jahre gekommene Klaus Hoffmann weiter leiden.

 

Klaus Hoffmann "Afghana". Ullstein Verlag, München 2000, 541 Seiten, 44 DM. Am 9. Oktober erscheint Klaus Hoffmanns neue CD "Melancholia". Vom 30. Oktober bis 11. Dezember geht er auf eine Konzert-Tournee quer durch Deutschland. Termine unter Tel.: 040 / 41 47 88-0 oder im Internet unter www.klaus-hoffmann.com


 
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