© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/00 29. September 2000

 
Keine Angst vor uns
Spanien/Portugal: Die iberische Sicht auf Deutschland
Carlos E. Izquierda

Trotz manchen Zumutungen des Massentourismus sind die Spanier von allen EU-Partnern noch die deutschfreundlichsten. Daran ändert auch das leicht angespannte Verhältnis zwischen dem sozialdemokratischen Kanzler Gerhard Schröder und Spaniens konservativen Ministerpräsidenten José Maria Aznar nichts.

Die deutsche Wiedervereinigung vor zehn Jahren wurde von den Spaniern ausgesprochen positiv aufgenommen. Nicht nur der Niedergang der atomaren Bedrohung durch das Sowjetimperium wurde dankbar aufgenommen, sondern daß die deutsche Frage doch noch ein glückliches Ende genommen hat. Ein Volk, daß Pathos liebt und seine Emotionen selten verbirgt, wurde von dem deutschen Freudensausbruch, der sie über die Fernsehbilder erreichte, regelrecht angesteckt. Die Euphorie jener Tage faszinierte die Spanier, die die Deutschen bisher nur als ein zurückhaltendes und mürrisches Volk kannten.

Das generell positive Verhältnis, daß die Spanier zu den Deutschen haben, läßt sich aus der Geschichte erklären. Spanien und Deutschland standen sich so gut wie nie in einem Krieg gegenüber, nicht einmal im Zweiten Weltkrieg, bei dem der ganze Globus letztendlich Deutschland den Krieg erklärte. Das neutrale Spanien beteiligte sich damals sogar mit der sogenannten "Blauen Division" am Rußlandfeldzug. Was ihm später von den Siegermächten sehr verübelt wurde.

Das nationale Element ist darüber hinaus in der spanischen Tagespolitik stets ein Thema. Durch die separatistischen Bestrebungen in Katalonien und vor allem im Baskenland ist die Bewahrung (bzw. Herstellung) der nationalen Einheit für die übrigen Spanier eine wichtige Angelegenheit. Nationale Regungen bei anderen Völkern werden deshalb nicht als Bedrohung angesehen.

Dem historischen Ereignis des Mauerfalls wurde deshalb auch in Spanien nach zehn Jahren wieder viel Aufmerksamkeit geschenkt.

Daß Helmut Kohl, der neben dem Volk der "DDR" immerhin treibende Kraft des Vereinigungsprozesses war, bei den Feierlichkeiten außen vor bleiben mußte, wurde jedoch nicht verstanden. Medien und Politiker reagierten hierauf mit Verwunderung. Seit dem die politischen Ikone Felipe González wegen schwerwiegender Korruptionsvorwürfe nicht mehr als Ministerpräsident wiedergewählt wurde, werden politische Geldschiebereien nicht als besonders skandalträchtig empfunden. Sie werden mit einer gewissen Resignation fast schon toleriert.

Auch Kohls altmodische Haltung, felsenfest an seinem Ehrenwort festhalten zu wollen, genießt durchaus Sympathien bei den Spaniern. Für sie ist das entscheidende Kriterium eines jeden Korruptionsskandals, ob das Volk dabei zu Schaden kommt. Geld von wohlhabenden Industriellen und Unternehmern für die Partei heranzuschaffen, hat auf der iberischen Halbinsel nichts Unanständiges.

In Portugal ist das Verhältnis zur deutschen Einheit ein wenig differenzierter. Die Orientierung der Außenpolitik an Großbritannien hat mithin auch Auswirkungen auf die Stellungnahmen von Politikern. Die Geschehnisse vor zehn Jahren werden daher mit einer gewissen Reserviertheit kommentiert. Das portugiesische Volk scheint hingegen aus ähnlichen Gründen wie die Spanier die Wiedervereinigung der Deutschen als durchweg positive Episode der jüngsten Geschichte zu begreifen.


 
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