© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    39/00 22. September 2000

 
USA: Prominente Schauspieler liegen mit der Werbeindustrie im Clinch
Abgerechnet wird zum Schluß
Andreas Wild

Der Starkult stößt an seine Grenzen", schrieb – nicht ohne leise Schadenfreude – die Los Angeles Times. Paul Newman aber, der kämpferische fünfundsiebzigjährige Doyen der amerikanischen Filmschaupieler, sieht in der jetzt in New York angelaufenen Public-Relations-Kampagne "Pay for play" einen "Anschlag der Werbeindustrie auf die Existenzgrundlagen unseres Berufs". Andere Stars wie Tom Hanks, Kevin Spacey und Michael J. Fox stellen sich hinter Newman. Auch die Schauspielergewerkschaft der USA, der 135.000 Mimen angehören, findet mahnende Worte für die Werbung.

Worum geht es? Natürlich um Geld, um viel Geld, um Gagen und Honorare. Der Werbeindustrie sind die Beträge zu hoch geworden, die sie an populäre Film- und Fernsehstars zahlen muß, um sie für ihre Werbespots vor die Kamera zu bekommen. Phantastische Summen werden genannt, Millionen und Abermillionen. Und das, so Vertreter der Branche, für Spots, die oft nur wenige Male gesendet werden und dann auf Nimmerwiedersehen in den Archiven verschwinden.

Das müsse sich ändern, fordern die Werbeleute. Künftig wollen sie nur noch solche Spots honorieren, die auch wirklich auf Sendung gehen. "Pay for play": Nicht mehr der Spot als solcher soll Gage bringen, sondern die Sendung. Abgerechnet werden soll am Schluß. Das sei nur recht und billig, heißt es.

Die Schauspieler und vor allem die Stars und Superstars unter ihnen sehen das ganz anders. Letztlich, so argumentiert man auf dieser Seite, wirke ja nicht der Spot auf die Kunden, sondern der Name dessen, der ihn trägt. Nicht des Spots wegen kauften die Leute dies und das, sondern weil der Star Sowieso oder das Starlet Wie-heißt-sie-doch-gleich sich für das jeweilige Produkt stark machten. Der Name des Stars sei ein Produkt eigener Observanz, das zum Produkt, für das geworben werde, extra hinzutrete. Dieses Produkt könne man nicht häppchenweise engagieren, sondern nur als Ganzes.

Im Schauspieler-Fachorgan Variety und anderswo hat sich eine interessante Diskussion über den Fall entwickelt. "Ist ein Star wirklich ein Produkt?", wird gefragt, und weiter: "Ab wann wird aus einem simplen Schauspieler, der sein Können und seinen Einsatz verkauft wie jeder andere Arbeitnehmer, ein Produkt, das für sich bereits Können und Einsatz verkörpert, noch bevor auch nur ein einziges Wort gesagt oder ein einziger Schritt getan wurde?"

Für Paul Newman ist der Fall klar. Der Schauspieler, ob Star oder Nichtstar, sei grundsätzlich der Underdog, seit Urzeiten in schneidendster Weise abhängig von Produzenten, Theaterdirektoren, Agenten und von Regisseuren, von denen er sich abtasten, anbrüllen, hin und herschieben lassen müsse. Starruhm sei angesichts dieser Lage nur ein gerechter Ausgleich für all die erlittene Unbill. Der jetzige Angriff auf die Stars sei ein Angriff auf das Schauspielertum überhaupt, Fortsetzung eines bitteren Kapitels Arbeitsgeschichte mit modernsten Mitteln.

Tatsächlich ist ja der gesellschaftliche Status der Schauspieler immer prekär gewesen. Lange Zeit galten sie als "Fahrendes Volk", wie noch der gelernte Schauspieler und spätere Präsident Ronald Reagan in einer seiner präsidialen Reden mit Bitterkeit vermerkte. Man schalt sie als sozial unintegrabel, ja, verdächtig. Schauspielersein war immer Ausgesetztsein.

In Goethes Wilhelm-Meister-Roman kann man das Verhältnis sehr gut studieren. Die dort üppig vorkommenden Schauspieler haben an sich gar keinen sozialen Rang, ihre Existenz ist ständig bedroht von regelrechter Deklassierung, vom Absturz auf den Bodensatz der Gesellschaft. Andererseits standen sie schon damals oft im Glanz der größeren oder kleineren Höfe, vor denen sie auftraten, und profitierten davon.

Sie wurden, bei hinreichender Exzellenz, Bildung und (was die Frauen betrifft) Schönheit, zum Gespräch an die Tafel der Mächtigen gezogen, mit Orden behängt und mit Ehrensolden ausgestattet; ziemlich viele schöne Schauspielerinnen werden zu Mätressen der Fürsten, was ja weiß Gott keine Diskriminierung, sondern rasanten Aufstieg auf die höchsten Höhen der Gesellschaft und sogar der Politik bedeutete.

Ansatzweise entwickelte sich schon damals eine Art Starkult, besonders um die großen Begabungen des singenden Personals, um Opernsängerinnen und Kastraten, die bereits fantastische Gagen kassierten und denen das Publikum regelrecht zu Füßen lag. Doch der Beruf des Mimen, des Sängers und Darstellers, blieb dennoch riskant, und er ist es heute noch. Er verweigert sich nun einmal der Einordnung in "normale" Berufsrollen.

Die ungeheure Ausweitung der Schauspielerei im Zeichen von Film und Fernsehen brachte zwar für viele soziale Sicherheit und auch Prestige, aber das im Zeichen der Moderne stattfindende Auseinanderfallen der Rollen in takes, in mimetische Augenblicksphasen und bloße "Einstellungen", die zudem noch unzählige Male wiederholt wurden, zehrte nicht nur am Stolz und am Standesbewußtsein der Darsteller, sondern brachte sie auch um ein ganz wichtiges, zentrales Element ihres Mime-Seins: den kostbaren Augenblick des emphatischen Zusammenseins mit "ihrem" Publikum, den jauchzenden Beifall im Moment des gloriosen Gelingens.

Man kann schon verstehen, daß kluge Stars von heute wie Newman oder Hanks den um sie und ihresgleichen entfesselten Kult als eine Art Ausgleich für entgangenes "echtes" Schauspieler-tum empfinden und daß sie sich (wie das ja auch Ronald Reagan in seiner Präsidentenrolle getan hat) in einer Stellvertreterposition für minder glückliche Kollegen sehen, die nie einen Werbespot um ihrer selbst willen bestreiten dürfen, geschweige denn zu präsidialen Höhen aufsteigen.

Wenn sie nun von der Werbewirtschaft partout als Produkt und nicht als bloße Arbeitnehmer eingekauft werden wollen, so schwingt darin der uralte verletzte Stolz eines Berufsstandes wider, der immer dringend gebraucht und dennoch nie wirklich für voll genommen wurde. Und mit der Werbewirtschaft trifft es ja keinen Armen.


 
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