© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    39/00 22. September 2000

 
Die Sonne schickt uns keine Rechnung
Ökosteuer II: Franz Alt plädiert für Energie-Alternativen zum Öl
Franz Alt

Auch wenn die OPEC jetzt 800.000 Ölfässer pro Tag zusätzlich auf-macht: die Öl-, Benzin- und Gaspreise werden langfristig steigen. Denn die bezahlbaren Ölreserven werden in etwa 40 Jahren aufgebraucht sein und die Gasreserven in etwa 45 Jahren, so die letzte Weltenergiekonferenz. Und knappe Güter werden nun mal teurer!

Die Autofahrer fluchen, und für das Heizen müssen wir im kommenden Winter mehr als doppelt soviel bezahlen wie bisher. Alle Energieverbraucher werden zur Zeit ärmer, doch das muß nicht so bleiben. Typisch deutsches Jammern hilft gar nichts. Die Ölpreiskrise ist für viele ärgerlich – das war schon 1973 und 1980 so –, doch die Klimakatastrophe wäre für alle viel, viel schlimmer. Auch die Öl- und Benzinkrise hat ihre Chance. Sie wird in Deutschland freilich viel zuwenig gesehen und noch kaum diskutiert.

Energieeinsparungen, bessere Energie-Effizienz und das Umsteigen auf kostenlose erneuerbare Energiequellen werden durch die neue Benzin- und Ölpreiskrise beschleunigt. Das ist gut fürs Klima, gut für Hunderttausende neue Arbeitsplätze und, schon mittelfristig, gut für den Geldbeutel. Nach den letzten Ölkrisen ist die Energie-Effizienz in Deutschland um über 30 Prozent gestiegen. Wie gut! Sonst wäre der Schock jetzt noch viel größer. Niemand ist also den Ölscheichs hilflos ausgeliefert. Jede und jeder kann etwas tun. Zum Beispiel:

- öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Das bedeutet 75 Prozent weniger Energieverbrauch bei Kraftfahrzeugen.

- Häuser und Wohnungen besser dämmen. Das kann bis zu 50 Prozent der benötigten Heizenergie sparen.

- Energiesparlampen nutzen. Das bedeutet, den Stromverbrauch um 85 Prozent zu reduzieren.

- neue Heizkessel einbauen, sie brauchen ein Drittel Energie weniger.

- erneuerbare Energien nutzen. Den Stoff gibt es umsonst.

In Deutschland werden zur Zeit bereits drei Millionen Quadratmeter Sonnenkollektoren wirtschaftlich betrieben. Warum nicht 10, 20 oder 30 Millionen? Je mehr Solaranlagen, desto weniger Heizölverbrauch. Je mehr Drei-Liter-Autos, desto weniger Benzinverbrauch. Zum Entsetzen der Ölscheichs. Die Sonne schickt uns keine Rechnung. Wir genießen in unserem Haus in Baden-Baden mit zwei Solaranlagen diesen Preisvorteil seit sieben Jahren.

Wir verdienen Geld mit der Sonne. Die Sonne scheint auf jedes Dach. Selbst wenn die Sonne nicht scheint, funktionieren unsere Solaranlagen. Es muß nur hell sein. Und das wird es jeden Tag. Schon heute gibt es in Deutschland Solar-Häuser, die mit Hilfe der Sonne mehr Energie erzeugen, als in ihnen verbraucht wird.

Auch der Wind und das Wasser schicken keine Rechnung. Inzwischen drehen sich bei uns 8.500 Windräder und ersetzen zwei Atomkraftwerke. Wir können die Anzahl der Windräder verzehnfachen und die Anzahl der Wasserkraftanlagen verfünffachen.

Umweltfreundliche Energie aus Sonnenstrahlen, Wind, Wasser, Biogas, heimischem Holz, Energiepflanzen und Erdwärme kann schon in 30 bis 40 Jahren alle herkömmlichen Energiequellen ersetzen. Allein die Sonne schickt uns jeden Tag 15.000 mal mehr Energie, als zur Zeit alle sechs Milliarden Menschen verbrauchen – kostenlos, umweltfreundlich und für alle Zeit. Die Lösung steht am Himmel. Die Sonne ist die einzige Einnahmequelle unseres Planeten. Eine Ökonomie, die nicht im großen Stil auf die Sonne setzt, ist nicht auf der Höhe der Zeit. Und eine Ökonomie, die nicht bereit ist, Geschenke der Natur anzunehmen, ist weder ökonomisch noch ökologisch. Technisch haben wir längst die Chance, in Deutschland 22 Millionen Gebäude zu 22 Millionen Solarkraftwerken umzurüsten. Jede und jeder kann heute erneuerbare Energien wirtschaftlich nutzen. Die solare Energiewende ist möglich und nötig.

Das einzige Problem: Wir haben noch immer ein Brett vor der Sonne. Die Bundesregierung sollte schleunigst aus ihrem Hunderttausend-Solar-Dächer-Programm ein Eine-Million-Solar-Dächer-Programm machen. Das wäre eine intelligente Antwort. Jammern und Taktieren ist nur Ausdruck politischer Hilflosigkeit. Das Öl wird immer knapper und immer teurer, die Sonne scheint noch rund vier Milliarden Jahre, kostet nichts und ist umweltfreundlich. Was wollen wir mehr!

Also: Nicht jammern, handeln. Solar? Na klar! Vernunft und Sonne statt Öl und Ärger. Zeigen wir es den Ölscheichs!

Die Energiekrise wird uns noch so lange begleiten, wie wir auf die endlichen Ressourcen Öl, Gas Kohle und Atomenergie setzen. Die große politische Frage des neuen Jahrhunderts heißt angesichts der zu Ende gehenden alten Ressourcen und des weltweit stark steigenden Energieverbrauches: Krieg um Öl oder Frieden durch die Sonne? Der Golfkrieg 1991 war bereits ein Krieg ums Öl. Die Energiefrage ist der Schlüssel für ein gutes oder katastrophales 21. Jahrhundert. Noch haben wir die Wahl.

 

Dr. Franz Alt, Jahrgang 1938, ist Leiter der 3sat-Fernsehsendung "Grenzenlos". Von 1972 bis 1992 war er Chef des SWR-Magazins "Report". 1994 erhielt er den deutschen Solarpreis für Publizistik und 1997 den Europäischen Solarpreis. Sein neuestes Buch "Der ökologische Jesus – Vertrauen in die Schöpfung" erschien im Münchner Riemann-Verlag. Im Internet ist der Autor zu erreichen unter: www.sonnenseite.com


 
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