© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    39/00 22. September 2000

 
Kolumne
Faschomanie
von Hans-Helmuth Knütter

Bei den Linken handelt es sich zum Teil um Leute, die grundsätzlich gegen jede Ordnung sind, denn diese wird als Einengung empfunden. Nachdem sie als "wissenschaftliche Sozialisten" blamabel gescheitert sind, bleiben ihnen der Antifaschismus und der Kampf gegen patriotische, insbesondere deutschnationale Einstellungen. Die Linken wissen also nur, was sie ablehnen, unklar bleibt, wofür sie eintreten. So wie bei Stalin oder Honecker soll es nicht sein, wie halbwegs glaubwürdig versichert wird. Aber ganz sicher ist zunächst einmal das eine: So wie die hiesigen Verhältnisse zur Zeit sind, sollen sie auf keinen Fall bleiben.

Was die "Freunde und Verbündeten" im Ausland betrifft, um deren Wohlwollen das BRD-Establishment buhlt, so können diese eigentlich gar keine Angst vor einer "Rechtsentwicklung" haben. "Nie wieder Faschismus und Krieg!", "Der Schoß ist fruchtbar noch..." lauten die Propagandaphrasen. In Wirklichkeit ist es reiner Unsinn, dies ernst zu nehmen. Die deutsche Bevölkerung (nicht: das Volk) ist nicht nur vergreist, sondern durch eine induzierte Hysterisierung (nämlich durch Propaganda-Kampagnen) in ihrer Identität beschädigt, und sie ist infolge des Wohlstandes körperlich und geistig-moralisch verfettet und risikoscheu. Diese Bevölkerung kann nicht außenpolitisch aggressiv werden. Biologisch ist das unmöglich und psychologisch unwahrscheinlich. Weswegen dann die Angst der "Freunde und Verbündeten"? "Stets das Unerwartete" war der Titel des um 1955 erschienenen Buches eines amerikanischen Autors über die Deutschen. Die Furcht, trotz aller Fesseln und Kontrollen könnten die Deutschen unerwartet doch einmal erwachen, bleibt. Die Rufe "Wir sind ein Volk", die 1989 wider Erwarten und wider aller Wahrscheinlichkeit die Wiedervereinigung einleiteten, stützen das Mißtrauen. Deren Einstellung kann man als Selbst-Hysterisierung bezeichnen. Sie malen das faschistische Gespenst in propagandistischer Absicht an die Wand und erschrecken dann vor der eigenen Agitation. Wenn Wohlstand, Behaglichkeit und Bequemlichkeit an die Grenzen der Möglichkeiten stoßen und zusammenbrechen, dann allerdings dürften Unruhe und Veränderungwille anschwellen. Die Unzufriedenheit wird zur materiellen Gewalt werden.

Vergreisung und nicht integrierte fremdvölkische Zuwanderung können zum "clash of civilizations" (Huntington), also zu bürgerkriegsähnlichen Unruhen führen, eine kämpferische Interessenvertretung nach außen aber unmöglich machen.

 

Prof Dr. Hans-Helmuth Knütter lehrt Politikwissenschaft an der Universität Bonn


 
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