© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    39/00 22. September 2000

 
Vom Rechtsstaat im Stich gelassen
Berlin: Handwerkerfrauen machen mit Hungerstreik auf sich aufmerksam / Schröder schickt sozialpsychologischen Dienst
Steffen Königer

Mitten in der Berliner Innenstadt, wo die meisten Touristen sind – am Brandenburger Tor – waren sie schon im Juni zu sehen: Drei Thüringer Handwerkerfrauen, deren Familienbetriebe Vergleich (neudeutsch für Konkurs) anmelden mußten. Grund hierfür sind schon kriminell zu nennende Handlungsweisen einer Wohnungsbaufirma, die für die Pleite vieler mittelständischer Unternehmen in Thüringen verantwortlich zeichnet. Mit staatlichen Fördergeldern hatte sich Stabitherm, eine sogenannte Zwischenerwerbs-GmbH, Wohnungen in Erfurt gekauft, um sie zu sanieren. Die beauftragten Handwerksbetriebe wurden jedoch, als es um die Rechnungen ging, kurzerhand mit der Tatsache konfrontiert, daß Stabitherm nicht mehr zahlen könne. Auf die angebotenen Zahlungen sind die Selbständigen nicht eingegangen, da dies ebenfalls den sicheren Ruin bedeutet hätte.

Nun befinden sich die drei Frauen erneut im Hungerstreik, die letzte Aktion im Juni hat nichts eingebracht. Traurig bemerkt eine: "Mein Problem ist, Schönemann zu heißen, nicht Holzmann." Was tat denn der "Superman" der Wirtschaft, Gerhard Schröder? Er sagte nicht die rettenden Worte "...wir schaffen das schon", sondern schickte erst mal den sozialpsychologischen Dienst, wegen angeblicher Selbstmordgefahr.

Trotz vieler Briefe an Politiker blieben entscheidende Reaktionen aus. Der ehemalige Bundesfinanzminister Theo Waigel gab nur einen Tip: Versuchen Sie es mit Förderkrediten. Hier wird wieder einmal die Weltfremdheit einiger Staatsmänner offenbar. Förderkredite mit den Sicherheiten eines pleite gegangenen Betriebes, da kann man auch gleich an den Weihnachtsmann glauben.

Nun wird es langsam kälter, die Frauen haben jetzt auch eine Genehmigung, bis November am Brandenburger Tor bleiben zu können. Sie wollen nicht eher weichen, als bis die Politik reagiert und handelt. Mit Gesetzen gegen solchen Betrug, wie von ihnen gefordert.

Die vollmundige Ankündigung von einigen Politikern, etwa von Heiner Geißler, am Brandenburger Tor eine Rede zu halten, erwies sich einmal mehr als Luftnummer. Es waren ganze zwölfdie sich mal kurz blicken ließen. Einer von der SPD, einer von den Grünen und acht von der CDU, dem Parlamentskreis für mittelständische Unternehmen. Erstaunlich, daß die FDP so wenig von sich sehen ließ, schließlich ist in jedem Wahlkampfprogramm von der "Unternehmerpartei" die Rede.

Wie überall, wo es gilt, "Ossis" vor Leid zu bewahren, ist natürlich die PDS zur Stelle und kümmert sich rührend um die Frauen. Doch der Verdacht liegt nahe, daß es hier nur um Wählerstimmen geht. Auch wenn diese Partei nun einen Demokratischen Sozialismus will – Privatbesitz kann ihr nicht viel bedeuten, bei den immer noch sichtbaren kommunistischen Ansätzen.


 
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