© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    39/00 22. September 2000

 
Rettet Wiglaf Droste!
Soliaktion für ein Sensibelchen
Dieter Stein

Ein ganz armes Schwein stand am Dienstag in Berlin vor Gericht: Wiglaf Droste. Kennen Sie nicht? Das ist so eine Art Ingo Appelt für frustrierte Altlinke. Die Zeiten, in denen sich Droste wegen seiner ungezogenen Texte politisch unkorrekt auf Leseabenden mit überengagierten männlichen Feministen herumprügeln durfte und Zuhörer schon mal mit Bierflaschen bewarf, wenn sie frech wurden, sind vorbei. Die tageszeitung druckt Droste nur noch bei angezogener Handbremse und großen Schluckbeschwerden, stand er doch dem angepeilten Ruf eines Regierungsblattes entgegen.

Droste ist auch wirklich der Dirty Harry des rot-grünen Milieus, der rundum ohne Rücksicht auch eigenen Genossen die Fresse poliert. Das finden die einen hip und urkomisch, andere sind total traurig. Ab und an waren seine Kolumnen mutig, denn sie lagen quer zum linken Konsens, so wenn er über die Nato-Kriegsbegeisterung seiner pazifistischen Freunde höhnte. Eigentlich sind seine Querschüsse allen mittlerweile völlig egal im gutgelaunten Spaßstandort BRD.

Am 5. April war Droste vor dem Amtsgericht Berlin-Tiergarten zu einer Geldstrafe von 2.100 Mark verurteilt worden, weil er in einem Text über ein Bundeswehrgelöbnis in Berlin geschrieben hatte, Feldjäger erkenne man "an ihrem Waschbrettkopf". Klasse. Fairerweise ernannte er den Bundeskanzler gleich mit zum "obersten Waschbrettkopf des Landes". Gerhard-"sach ich mal"-Schröder blieb cool, weil er wahrscheinlich "Waschbrettbauch" gelesen hatte. Es klagte aber der Kommandeur des Feldjägerbataillons 701 Leipzig wegen Beleidigung.

Die Reaktion des Soldaten kann man bestens verstehen. Jeder Berufssoldat ist bis zum Stehkragen angefüllt mit Verachtung für ein Land, das sich nicht vor seine Soldaten stellt, sie aber für irgendwelche aberwitzigen UN-Abenteuer rund um den Erdball schicken will. Wenn es juristisch drin ist, greift man sich also den nächstbesten Widerling, der unter dem kreischenden Gejohle der nichtgedienten politischen Klasse die Armee mit Dreck bewirft und läßt ihn – wie hier Droste – gerichtlich verknacken.

Das finden die nach links nur noch mit Wattebäuschchen werfenden, Seidenhalstuch und Siegelring tragenden Milchbubis der FAZ-Berlin schlimm und organisierten eine niedliche Soli-Aktion für den von Feldjägern eingekreisten Freund Wiglaf. Am vergangenen Dienstag sollte der Widerspruch Drostes gegen das Urteil verhandelt werden (Ergebnis zur Stunde unbekannt). Die "Freunde" der taz und die Schleimer der FAZ hatten sich beim Cappuccino verabredet und zeitgleich unter Überschriften wie "Was ist ein Waschbrettkopf" Publizisten à la Küppersbusch Entlastungsmaterial für den bedrohten Kolumnisten auffahren lassen.

Eine heldenhafte Aktion. Gerade in einem Land, in dem doch Zivilcourage kleingeschrieben wird. Von den Herausgebern der FAZ war bis Redaktionsschluß nicht zu erfahren, ob die Meldung zutrifft, daß die "Berliner Seiten" in Kürze dem Ressort "Jugend schreibt" angegliedert werden.


 
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