© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/00 15. September 2000

 
Mit einer Bürgerbewegung aus der Krise
Reinhard Uhle-Wettlers aktualisierte Streitschrift gegen die bundesdeutsche "Canossa-Republik"
Michael Wiesberg

Daß Reinhard Uhle-Wettlers Buch "Die Überwindung der Canossa-Republik" jetzt bereits seine dritte Auflage erlebt, spricht dafür, daß seine Gedanken über den Zustand Deutschlands den Nerv vieler Zeitgenossen treffen. Der Begriff "Canossa-Republik" geht auf den estnischen Staatspräsidenten Lennart Meri zurück, der anläßlich des 5. Jahrestages der Deutschen Einheit 1995 in Berlin in einer Festrede darüber rätselte, warum die Deutschen so wenig Respekt vor sich selbst hätten. Deutschland sei, so Meri, eine Art "Canossa-Republik" geworden, eine "Republik der Reue". Wie im Titel des Buches bereits angesprochen, geht es Uhle-Wettler um die Überwindung eben dieses Zustandes.

Vor die Handlungsempfehlungen hat Uhle-Wettler die Analyse gestellt, die in der aktuellen Auflage um die Themen Kosovo-Krieg, Globalisierung und Brüsseler Zentralismus erweitert wurde. Im Hinblick auf die eigentlichen Ursachen des Kosovo-Krieges spricht Uhle-Wettler in wünschenswerter Weise Klartext. Daß der völkerrechtswidrige Luftkrieg der NATO gegen Serbien keineswegs "humanitären" Erwägungen geschuldet war, sondern vorrangig handfesten geostrategischen Zielen der USA, belegt der Autor durch eine Reihe aufschlußreicher Informationen und Argumente. Nach Auffassung Uhle-Wettlers hätten die USA alle ihre Kriegsziele erreicht. Dazu gehörte u.a. die Zementierung der Vorrangstellung der USA in Europa, die Fesselung der EU an den Balkan in Form von Wiederaufbauhilfen, die deren Engagement auf anderen Gebieten behinderten. Nicht zuletzt ging es den USA auch um die strategische Absicherung ihrer Energieinteresssen im Kaukasus, den Washington zur amerikanischen Interessenzone erklärt habe. Daß Deutschland, aber auch die anderen europäischen Nato-Mitglieder, für die USA während der Kosovo-Krieges mehr oder weniger nur Vollzugsgehilfen darstellten, daran läßt Uhle-Wettler keinen Zweifel.

Große Gefahren sieht Uhle-Wettler auch durch den Prozeß der Globalisierung auf Deutschland zukommen. Kulturelle Desintegration (Stichwort: Zuwanderung) und wirtschaftliche Turbulenzen könnten die Nation bedrohen, wenn es nicht gelinge, das Steuer zugunsten einer einer zukunftssicherndenPolitik herumzureißen. Uhle-Wettler sagt es deutlich: Nach dem Verlust zweier Weltkriege mit ihren dramatischen menschlichen und materiellen Opfern droht Deutschland nun das Verschwinden aus der Geschichte. Doch der Besinnung der Deutschen auf ihre Selbsterhaltung steht ein allgegenwärtiger Antifaschismus entgegen, dessen Auswirkungen Lennart Meri zu seinem Diktum von der "Canossa-Republik" animiert hat. Doch Uhle-Wettler bleibt nicht beim Lamentieren über den besorgniserregenden Zustand des Landes stehen. Gegen Ende seines Buches legt er ein "Deutsches Manifest" vor, das der Nation einen Weg aus der Krise weisen soll. Der Grundgedanke ist eine "Bürgerbewegung für eine demokratische Neuordnung". Schon aufgrund dieses Manifestes ist der Neuauflage von Uhle-Wettlers "Canossa-Republik" Erfolg zu wünschen. Denn die Voraussetzung für eine "Bürgerbewegung" ist eine grundsätzliche Neuausrichtung des Denkens. Dafür hat Uhle-Wettler einen wichtigen Beitrag geleistet.

 

Reinhard Uhle-Wettler, Die Überwindung der Canossa-Republik, 3. Auflage, Hohenrain-Verlag, Tübingen 2000, brosch., 218 Seiten, 29,80 Mark


 
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