© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/00 01. September 2000

 
Meldungen

Der Leviathan der Weltzivilgesellschaft

HAMBURG.Das neue Heft der neomarxistischen, nach 1989 mit reichlichen Anleihen bei Michel Foucault aufgepeppten Zeitschrift Das Argument (H. 236) widmet sich der "Topographie des neoliberalen Staates". Joachim Hirsch beschreibt darin das Ende der "westfälischen Ordnung", die 1648 mit der Bildung der europäischen Territorialstaaten begann und sich zuletzt in der bipolaren Welt des 20. Jahrhunderts ausprägte. Der Globalisierungsprozeß und die ihm eigene Erosion spezifisch "national"-ökonomischer Zusammenhänge verringere die soziale Integrationsfähigkeit tradierter Staatsstrukturen. An die Stelle des souveränen Staates träten sukzessive staatlich-private Netzwerke, die die politischen Apparaturen "internationalisieren". Diese höhlen die "national"-demokratischen Systeme aus und erzeugten strukturelle politische Legitimationsdefizite. Daß sie durch eine friedliche "Weltzivilgesellschaft" ersetzt werden, hält Hirsch für unwahrscheinlich: "Je umfassender sich im Zuge der Globalisierung das kapitalistische Waren- und Tauschverhältnis weltweit durchsetzt, desto unvermittelter treten zugleich auch wieder die physischen Gewaltverhältnisse hervor." Gerade auf internationaler Ebene sorge der Hobbessche Leviathan also für alles andere als gesellschaftlichen Frieden.

 

Kontroversen um den LER-Unterricht

SEELZE.In der Neuen Sammlung. Vierteljahres-Zeitschrift für Erziehung und Gesellschaft (Heft 2/2000) steht der Religionsunterricht in Mitteldeutschland im Zentrum einiger Beiträge. So kommentiert Henning Schluß die Kontroverse um das 1996 in Brandenburg eingeführte Schulfach LER (Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde), in der sich die Befürworter dieses dem atheistischen Umfeld geschuldeten Fa-ches angeblich in der Defensive sehen. Schluß’ Argumentation vermag jedoch nicht jene LERKritiker zu widerlegen, die meinen, der LER-Unterricht biete einerseits die Möglichkeit, zur Mißachtung religiöser Werthaltungen zu erziehen, andererseits für alles und jedermann gleichermaßen offen zu sein, "für Satanskulte, für Lebenskonzepte der Freidenker, islamistisch-fundamentalistischer Gruppen ebenso wie der Evangelischer Landeskirchen". Die Ideen, die Karl Nipkow im selbem Heft zur "Religiösen Bildung im Pluralismus" anbietet, muten daher zwangsläufig etwas idealistisch-weltfremd an, liefern aber eine vorzügliche Einführung in den aktuellen Streitstand.

 

Politische Bildung im Geist von Pro Asyl

BONN. Unter dem Titel "Frischer Wind in der Bundeszentrale" kommentiert Matthias Berninger im einstigen publizistischen Sammelpunkt westlicher SED-Sympathisanten, den Blättern für deutsche und internationale Politik (Heft 8/2000), die Neuausrichtung der Bundeszentrale für politische Bildung. Otto Schily habe beschlossen, dort neue Schwerpunkte für die politische Bildungsarbeit zu setzen. Die angeblich autoritäre Führungsstruktur,die Benachteiligung von Frauen, die Verwaltungsmentalität, die manchen Zug der Zeit, z. B. das Internet, verschlafen habe, das altbackene Layout der jährlich 7 Millionen Mark verschlingenden Wochenzeitung Das Parlament und der auf 200 sorgfältig nach Parteienproporz ausgewählte Mitarbeiter aufgeblähte Apparat sind Hebel für Schilys "interne Evaluation". Mit der Ernennung des Genossen Thomas Krüger hat Schily sich jedoch den Vorwurf zugezogen, die Bundeszentrale weiter als "Endlager für Parteifunktionäre" zu mißbrauchen, was die gesamte "Evaluation" als ordinäre Beuteverteilung erscheinen lasse. Allerdings mit inhaltlichen Akzentuierungen: Für mehr Pro-Einwandererungs-Propaganda und gegen den noch bestehenden Einfluß der Vertriebenen auf die politische Bildung.


 
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