© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/00 01. September 2000

 
Ceausescu
Rumänien unter sozialistischer Feudalherrschaft
(JF)

Der Autor beschreibt aufgrund umfassender Recherchen das Leben des rumänischen Diktators Nicolae Ceausescu von seiner Kindheit bis zum Sturz und seiner Hinrichtung im Dezember 1989. Das Wissen des Verfassers und sein feines Gespür für Historisches und National-Mentales in der Entwicklung Rumäniens, aber auch die klare Erzählweise lassen ein eindrucksvolles Bild der sozialistischen Machtergreifung und Herrschaftsausübung entstehen. Die Konturen treten besonders stark hervor, wo der Diktator, aus einfachsten Verhältnissen kommend, sich zeitlebens gegen wahre Intellektualität wandte. Politische Winkelzüge, aber auch fehlende Einsicht in eigene Unzulänglichkeiten sowie eine dogmatische Verinnerlichung des marxistischen Menschenbildes trugen erheblich dazu bei, daß sich Ceausescu und Gattin Elena selbst vergötzten. Kunze schildert, wie beide für die Besetzung aller Führungspositionen eine "negative Auslese" betrieben und nur solche Menschen in führende Stellen beriefen, die proletarischer bzw. bäuerlicher Herkunft und der kommunistischen Ideologie sowie Ceausescus Familienclan bedingungslos ergeben waren. Ein extremer Personenkult, Nepotismus und politischer Terror zeichnen das Bild eines sozialistischen Feudalfürsten. Trotz vieler rumänischer Facetten war diese Art der Machtausübung für alle sozialistischen Länder typisch, was sich auch in der Politik gegenüber Minderheiten zeigte. Obwohl in der Verfassung Rumäniens geschützt, verfolgte Bukarest ihnen gegenüber einen Unterdrückungskurs. Kunze belegt dies am Schicksal der ungarischen Volksgruppe und der Rumäniendeutschen, deren Zahl von 780.000 (1950) auf 85.000 (1995) sank. Hegemoniestreben sowie chauvinistische Geltungssucht sind hierfür wie für Ceausecus distanziertes Verhalten gegenüber Moskau und den "Bruderstaaten" verantwortlich. Sie brachten weder mehr Freiheiten für die Rumänen, noch bedeuteten sie eine Abwendung von der marxistischen Generallinie.

Kunzes völkertypologischer Ansatz suggeriert, daß Rumäniens Umwandlung von einem Agrar- in ein Industrieland nur "mit harter Hand" möglich gewesen sei. Die Analysen des Autors lassen es aber unwahrscheinlich erscheinen, daß auf dem Weg in die EU das ausgepowerte Land einer erneuten diktatorischen Versuchung erliegen könnte – trotz des gegenwärtigen Desasters.

Thomas Kunze: Nicolae Ceausescu – eine Biographie. Ch. Links Verlag, Berlin 2000, 463 Seiten, 48 Mark.


 
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