© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/00 01. September 2000

 
Von Träumen überwältigt
Kino I: "Best Laid Plans" von Mike Barker
Claus-M. Wolfschlag

Wer ist Opfer, wer Täter? Sind die Menschen nicht immer nur getrieben von den Umständen und Unwägbarkeiten ihres Daseins? Haben sie sich womöglich aber nicht selber in diese Umstände hereinmanövriert? Sind es nicht immer die Sehnsüchte und Träume, die sie vorantreiben und die Untwägbarkeiten erst erzeugen? Und gibt es mehrere Entscheidungsportionen, die Auswege aus den verfahrenen Lebenssituationen ermöglichen? Regisseur Mike Barker hat einen spritzigen, temporeichen Kriminalfilm gedreht, der all diese Fragen aufzuwerfen versucht.

Protagonist ist der junge Nick (Alessandro Nivola), welcher soeben Vollwaise geworden ist und gezwungen, sein Leben fortan selbst zu ordnen und zu gestalten. Nick hat den Traum abzuhauen, ein neues, besseres Leben anzufangen. Fort von einem schlecht bezahlten Job in einer Recyclingfirma, raus aus dem heruntergekommenen Kleinstadtkaff Tropico. Das trifft sich mit den Wünschen seiner neuen Freundin Lissa (Reese Witherspoon), die gerne in die Großstadt ziehen würde, um als Künstlerin zu arbeiten. Beide sind intelligent, charmant und romantisch, jedoch hoffnungslos arm. Schließlich hat Nicks Vater nichts als Schulden hinterlassen und das Pärchen keine finanzielle Basis, um seine Träume in absehbarer Perspektive auch nur ansatzweise zu verwirklichen. Da ergreift Nick die Initiative und beteiligt sich mit seinem zwielichtigen Arbeitskollegen an einem Überfall auf einen Drogendealer. Der Coup der Greenhorns geht schief, und Nick sieht sich zusätzlichen Geldrückforderungen einer brutalen Verbrecherbande ausgesetzt. Die letzte Chance scheint bei Nicks altem Highschool-Freund Bryce (Josh Brolin), einem etwas oberflächlichen Yuppie, zu liegen, der in den Ort zurückgekehrt ist, um für einige Zeit das Haus eines reichen Kunstsammlers zu hüten. In der edlen Villa läge genug wertvoller Krempel herum, der Nicks Geldsorgen beheben könnte. Einziges Problem bleibt, Bryce davon abzuhalten, einen Diebstahl der Polizei zu melden. Nick entwirft hierzu einen tollkühnen Erpressungsplan, bei dem Erfolg oder Scheitern auf der Kippe stehen.

"Best Laid Plans" ist eine Regieleistung voller Wendungen und unvorhersehbarer Entwicklungen. Die Verkettungen der Handlung scheinen die Personen in immer neue ausweglose Situationen zu manövrieren. Immer enger wird der Fluchtweg, ein Seiltanz, zu dessen Seiten der völlige Absturz in den Abgrund folgen könnte. Jede Aktion führt zu einer Reaktion. Keine Veränderung passiert ohne Grund. Auch stellt der Streß der Situation ständig die eigene Moral, die Humanität und die Treue zum Gegenüber auf die Probe. Wenn es darum geht, den eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen, evntuell auch den eigenen Lebenstraum zu verwirklichen, wirkt Ellenbogenhaltung scheinbar wie das natürliche Betragen in unserer Gesellschaft. Bleibt dabei noch Platz für menschlichen Anstand? Wem gegenüber zeigt man sich solidarisch? Dem gefolterten Kleindealer, dem scheinbar naiven Arbeitskollegen, dem Arbeitgeber mit Finanzengpässen, dem alten Schulkameraden, der Geliebten? Wer bleibt auf der Strecke, wer muß das Opfer bringen? Soll ein anderer am eigenen Gewinn beteiligt werden, und wenn ja, wer? Wer wird betrogen und hintergangen, wer hält am Ende die Fäden in der Hand? Fragen über Fragen, welche die Seele des Protagonisten zermartern, während er versucht, einen Ausweg zu finden.

"Best Laid Plans" deutet dem Zuschauer mehrere Entwicklungsmöglichkeiten an. Bisweilen erschaudert man, zu welchem Handeln der Mensch fähig sein kann. Und manchmal fällt man fast beruhigt wieder in den Kinosessel zurück, in Genugtuung, daß es doch auch das Gute im Menschen zu geben scheint, das seinem Tun wohltuende Fesseln anlegt. Regisseur Mike Barker erklärt hierzu: "Best Laid Plans erzählt davon, wie Menschen dazu gezwungen werden, Dinge zu tun, die sie sich normalerweise überhaupt nicht vorstellen könnten. Nicks Motive sind, zum Beispiel, völlig unschuldig, bis er von den Ereignissen quasi überrollt wird und er die Kontrolle verliert."

Der Thriller wurde in Kooperation mit "Fox 2000 Pictures" produziert, bewahrte sich aber durch die gefühlvolle Hand des britischen Regisseurs europäischen Independent-Charme, fernab der aalglatten Hollywood-Massenkonfektion. Drehbuchautor Ted Griffin entwickelte die Ursprungsidee zu dem Streifen bereits in seiner Highschool-Zeit. Diese Kurzgeschichte durchlief mehrere Daseinsformen, unter anderem als zehnminütiger Kurzfilm, bis 1995 durch die Anreicherung mit mehreren Erzählebenen schließlich das Drehbuch entstand. Was lange währt, wird schließlich gut. Drehungen und Wendungen erschufen ein komplexes, aber dennoch leicht zu verfolgendes Szenengeflecht, das es exzellent versteht, Spannung zu halten und fast durchgehend zu steigern.


 
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