© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/00 01. September 2000

 
BLICK NACH OSTEN
Busek – ein Mann fällt nach oben
Carl Gustaf Ströhm

Einst galt der "Osten des Reiches" – dies traf für das kaiserliche Deutschland ebenso zu wie auf die Habsburger Donaumonarchie – als Gebiet, wohin man Beamte strafversetzte, die daheim im Westen nicht reüssiert hatten. Heute ist der "befreite Osten" ein Tummelplatz für mehr oder weniger erfolglose, abgehalfterte West-Politiker, die ihren zu kurz gekommenen Geltungsdrang unter Ossis und Balkanesen ausleben (Ausnahmen wie zum Beispiel Biedenkopf in Sachsen bestätigen diese Regel).

Einer der selbsternannten "Experten" ist der Österreicher Erhard Busek – einst Vizekanzler der großen Koalition und ÖVP-Chef. Seit er von seinen eigenen christdemokratischen Parteifreunden wegen allzu krasser Linkstendenzen politisch aus dem Verkehr gezogen wurde, tauchte Busek in allen möglichen (para-)politischen Funktionen auf: als Chef der von den Amerikanern erfundenen mittel- und südosteuropäischen Initiative SECI, die mancherorts im Ruf steht, eine Art südslawischen (jugoslawischen) Zusammenschluß zu forcieren, und in manch anderen Funktionen.

In den Brennpunkt allgemeiner Aufmerksamkeit geriet Busaek aber als "Regierungsbeauftragter für die EU-Osterweiterung" der neuen schwarz-blauen Wiener Koalition. Nota bene: Bis heute ist es selbst langgedienten Wien-Kennern schleierhaft, wie ausgerechnet Kanzler Wolfgang Schüssel und sein Koalitionspartner Jörg Haider dazu kamen, einen Mann auf diesen Posten zu hieven, der seinem Kanzler und Haider in tiefer Abneigung "verbunden" ist.

Die Vermutung liegt nahe, daß es sich um eine Beschäftigungspolitik handelt. Als Regierungsbeauftragter machte Busek durch ziemlich scharfe Angriffe auf eine der beiden Regierungsparteie – die FPÖ – von sich reden. Zum offenen Konflikt kam es, als die österreichischen Freiheitlichen erklärten, eine EU-Mitglidschaft Tschechiens und Sloweniens komme für sie nicht in Frage, solange Prag und Leibachnicht bereit seien, die Benesch und sogenannten AVNOI-Dekrete für ungültig zu erklären, durch welche 1945 Millionen von Volksdeutschen für vogelfrei erklärt, enteignet und teilweise auch ermordet wurden.

Darauf ließ Busek verlauten, was die FPÖ und Haider sagten, sei für ihn nicht maßgebend – womit er sich als Regierungsbeauftragter präsentierte, der zumindest einer Hälfte der eigenen Regierung die Loyalität aufkündigt.

Wie sich Busek, der keine einzige östliche Sprache spricht und außer gescheit klingenden Redensarten noch nie ein kohärentes Mittel- oder Südosteuropakonzept vorgelegt hat, als "Ostexperte" verkaufen konnte, gehört zu mancherlei Rätseln, die auf dem Wiener Pflaster gedeihen.

Klar ist nur, daß Busek – der Name kann auf tschechisch als "kleiner Behuslav" übersetzt werden – eine Vorliebe für "linke" Positionen hat. Als 68er-Demonstranten in der Wiener Universität eine Ehrentafel für die im Krieg gefallenen Studenten abschaffen wollten, stellte sich Busek schon damals auf ihre Seite und bezeichnete das Denkmal als "Altlast". Bei anderer Gelegenheit sang er als (immerhin christdemokratischer) Gast auf einer Veranstaltung der SPÖ die "Internationale" – mit erhobener geballter Faust.

Gerade in der heutigen Situation hätte Österreich eine unwiederbringliche Chance, als Sprecher der kleinen, eben erst befreiten Nationen der Mitte und des Ostens aufzutreten. Doch der Regierungsbeauftragte balgt sich statt dessen mit seiner eigenen Regierung herum. Eine österreichische Tragödie. Oder Tragikomödie?


 
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