© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/00 01. September 2000

 
Im Westen nichts Neues
Nordrhein-Westfalen: Die PDS und ihre Probleme mit einer unbequemen Funktionärin, die mit der Partei abrechnet
Gero Brandes

Kamen, eine beschauliche westfälische Kleinstadt, im Sommer 1999. Bei der Kandidatenkür der Kreis-PDS für die Kreistagswahlen eskaliert die Stimmung: Erst fliegen die Stühle, später wird eine Transsexuelle von der Polizei abgeführt. Ihr Name: Tanja Krienen. Was war passiert?

Tanja Krienen gehörte zu denjenigen, die sich um eine Befreiung der PDS aus ihrem kommunistischen Korsett bemühte. 1957 in Hagen geboren, war sie eine von jenen politisch interessierten Jugendlichen, die Anfang der siebziger Jahre von der Politik Willy Brandts euphorisiert waren. Doch schon bald muße sie bemerken, daß die Sozialdemokraten nicht mehr ihren politischen Vorstellungen entsprachen und so trat sie der DKP bei. Hier wurde sie sie mit dem Weltbild des dogmatischen Kommunismus konfrontiert, das ihr auch später in der PDS schwer zu schaffen machte. So wollte ihr ganz und gar nicht in den Sinn, Atomenergie im Westen zu kritisieren, die "in der DDR aber wer weiß was tolles sei und dem Fortschritt diene". Diese Fortschritte nebst der mangelnden innerparteilichen Demokratie waren es, die Tanja Krienen dazu bewogen, die Partei 1982 zu verlassen. Später schloß sie sich der Partei der "Demokratischen Sozialisten" an, eine Partei der aus der SPD ausgeschlossenen Bundestagsabgeordneten Hansen und Koppeck.

Mehr als anderthalb Jahre danach, als die PDS versuchte, im westfälischen Unna und dessen Umgebung Fuß zu fassen, engagierte sich auch Tanja Krienen aktiv bei den Salonkommunisten. Sie wurde zur Kreissprecherin gewählten und verkaufte die Unnaer PDS in Radio und Presse als "pluralistische, bunte" Truppe. Doch wie weit die Buntheit einer bunten Truppe gehen kann, hat sie in der PDS schmerzhaft erfahren: Sei es die dogmatische Borniertheit der in Westdeutschland besonders starken Kommunistischen Plattform (KPF) oder einfach nur das intellektuelle Unvermögen der Parteifunktionäre; immer wieder stieß Tanja Krienen mit Äußerungen ("Wir werden von den Leuten nicht gewählt, um Fundamentalopposition, sondern um Politik zu machen!") oder mit ihrer Vorliebe für die Musik Wolf Biermanns auf Unverständnis bei den eigenen Genossen. Sie kritisierte die "kritiklose Unterstützung der PKK durch die PDS" und sah stalinistische und nationalbolschewistische Strömungen wachsen. Als den Parteifunktionären der Kragen platzte, versuchten sie, die Querdenkerin aus der Partei zu mobben. Schließlich trat Krienen freiwillig aus ("Stalins Erben säubern wieder!"). Doch sah sie nicht ein, warum sie ihr Amt als Kreissprecherin aufgeben sollte, ohne offiziell abgewählt zu werden: "Die PDS befolgt ihre eigenen Statuten nicht. Laut Regelwerk ist die Funktion innerhalb der Partei unabhängig von einer Mitgliedschaft." Zur Klärung dieser Problematik wurde sie im Juni auf eine Versammlung geladen, bei der ihr allerdings der Zutritt verwehrt wurde – mit der Begründung, sie sei aus der Partei ausgeschlossen worden.

Obwohl ihr Hausverbot erteilt wurde, erschien sie im Juli letzten Jahres als "interessierte Kreisbewohnerin" auf einer Veranstaltung der PDS, bei der die Kandidaten für die anstehende Kommunalwahl gewählt werden sollten, um die jungen Leute vor den "stalinistischen Rattenfängern" zu warnen. Das Ende vom Lied war: Die "interessierte Kreisbewohnerin" wurde von der Polizei abgeführt. Süffisant bemerkte die Lokalpresse: "Das alles erinnert doch stark an ein Politik-Happening der Marke ’Kommune 1‘." und tituliert die linke Querdenkerin "Tanjaminator". Der Grünen-Politiker Friedhelm Schaumann, unter dessen Regie die Kamener GAL mit der PDS anbandelte, führte über Frau Krienen eine Akte, "für den Fall, daß die Frau mal durchdreht".

Auch heute kann Tanja Krienen nicht die Finger von "Stalins Erbe" lassen und provoziert mit Artikeln und Leserbriefen immer wieder die PDS-Spitze. Schon als Kreissprecherin verfaßte sie Schriften, die nicht in das Konzept der Parteiführung paßten, zum Beispiel über die "Frauenquote", die für Krienen eine "Quote für die Doofen" ("Frauen mit Qualität hatten schon immer eine Chance") ist. Und nach der NRW-Wahl am 14. Mai gratulierte sie in der Westfälischen Rundschau der FDP zu ihrem Wahlsieg (ein Sieg der "Liberalität über den Sozialismus").

Aber auch Feministen und naive Trans- und Homosexuelle, die glauben, "unter dem Dach der Kirche Verständnis und Tolerenz zu erfahren", haben unter der Feder der Transsexuellen wenig zu lachen. "Viele naive Homosexuelle", schreibt sie im Leserforum der Westfälischen Rundschau, "glauben zudem, ihre zunehmende Medienpräsenz wäre ein Zeichen für höhere gesellschaftliche Akzeptanz. Sie übersehen, wie sehr sie noch immer in lediglich kleinen, mehr oder weniger abseitigen Bezügen vorgeführt werden." Und in der Zeitschrift Konkret echauffierte sie sich: "Soll eine Transsexuelle klaglos den ihr zugewiesenen Platz ’in der Szene‘ (also im Freilandghetto) einnehmen und sich vielleicht einmal im Jahr, zum Beispiel bei der CSD-Parade, an der Fortsetzung des Karnevals mit anderen Mitteln beteiligen und dem belustigten Publikum den Paradiesvogel zeigen? (…) Es ist richtig: Transsexuelle sind schon merkwürdige Herzchen. Sie nerven sehr. Meistens unpolitisch, bräsig selbstbewußt und oft selbstgefällig gespreizt, glauben sie wirklich, die Welt hätte auf ihre vertrackte Art der Interpretation des Weiblichen nur gewartet."

Neben ihrer Tätigkeit als Autorin interessiert sich Tanja Krienen für die Philosophie Friedrich Nietzsches. An ihm gefällt ihr nicht nur dessen nihilistische Kritik des Christentums, sondern auch seine Weitsicht hinsichtlich des Sozialismus ("Der Sozialismus ist der jüngere Bruder des Despotismus"). Am 24. August erinnerte sie in einem Vortrag im spanischen Torrevieja an den großen Denker.

Und wohin geht’s mit ihr politisch-ideologisch? Mit dem Sozialismus hat sie abgeschlossen, die SPD warnt sie davor, der SED-Nachfolgepartei "Wohltaten durch die Hintertür" zukommen zu lassen. Die Grünen wurden ihrer Meinung nach "glücklicherweise für ihren zu Recht gescheiterten Versuch abgestraft, Emanzipation der Bevölkerung administrativ aufzuquatschen und vorzuschreiben." Auch die CDU habe bei der letzten Wahl und in der öffentlichen Diskussion für "Kampagnen von vorgestern" die Quittung bekommen. Und die Liberalen? "Wieso nicht ..." – die Querdenkerin schmunzelt.


 
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