© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/00 01. September 2000

 
Dieter Wiefelspütz
Genosse im Hintergrund
von Alexander Schmidt

Politik bedarf der ausgleichenden Pole, einer vermittelnden Instanz, die ohne polemischen Beigeschmack Lösungen finden kann. Diese Fähigkeit wird Dieter Wiefelspütz, dem innenpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, nachgesagt. Tatsächlich schwingt in den Äußerungen des ehemaligen Verfassungsrichters eine Kompromißbereitschaft mit, die ihn zum Moderator in vielen Verhandlungen werden läßt – auch wenn dafür hingenommen werden muß, daß der überzeugte Sozialdemokrat zu anderen Lösungen kommt, als sich seine Genossen oftmals vorstellen. Dafür ist er zu sehr Pragmatiker. Als Gerhard Schröder gemeinsam mit Berlins Innensenator Eckart Werthebach (CDU) vorschlug, das Versammlungsrecht am Brandenburger Tor einzuschränken, verpaßte ihm unter anderen Wiefelspütz einen Rüffel. Das Parlament sei der Gesetzgeber, nicht die Regierung, so Wiefelspütz. Wo ein aktueller Brennpunkt ist, bleibt auch der Name Wiefelspütz nicht lange ungenannt. Ob er die Entscheidung der IG-Farben kritisiert, sich nicht am Entschädigungsfond zu beteiligen, mehr Geld für den "Kampf gegen Rechts" fordert oder sich für eine Verkürzung des Flughafenverfahrens für Asylbewerber starkmacht, von Wiefelspütz hört man das, was zumindest Konsens in der Koalition werden soll. Seine ausgleichende Art kühlte in der jüngst um die NPD entbrannten Debatte die Häupter. Bei allen Maßnahmen müsse die Rechtsstaatlichkeit strikt beachtet werden, erinnerte er, als in der Hitze des Sommerlochs die Streichung der staatlichen Zuschüsse für radikale Parteien diskutiert wurde. Vielmehr sieht er in der Hebung der 0,5- Prozent-Hürde zur Parteienfinanzierung ein Mittel zur Erreichung des gleichen Ziels, das jedoch nicht weniger bedenklich sei. Legitim ist für seinen Kampf gegen Rechts auch, daß Internetprovider vermeintlich oder tatsächlich rechtsextremisitische Internetseiten selbstverantwortlich sperren.

Der politische Weg Wiefelspütz’ begann in der Zeit seines akademischen Lebens im Jahr 1972. Nach einer Buchhändlerlehre entschloß er sich, das Abitur nachzuholen, und studierte daraufhin Rechtswissenschaften in Bochum, wo er seine beiden Staatsexamen ablegte. Danach arbeitete der verheiratete Wiefelspütz als Richter am Verwaltungsgerichtshof in Gelsenkirchen, war Vorsitzender des SPD-Stadtverbandes Lünen und Mitglied im SPD-Unterbezirk Hamm und Unna. Schon zwei Jahre vor seiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 1989 wurde er erstmals direkt in den Bundestag gewählt.

Wiefelspütz gilt als loyaler, nicht betriebsblinder Sozialdemokrat, aber kein publikumswirksames verbales Schnellfeuergewehr wie einige seiner Fraktionskollegen. Nicht ohne Grund wurde er schon als Präsident des Verfassungsschutzes gehandelt. Was immer daraus werden sollte, ein Platz innerhalb eines Ministeriums, zum Beispiel als Staatssekretär, dürfte für einen Mann des Hintergrundes interessanter sein.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen