© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/00 01. September 2000

 
Die Masse im Schloß
von Alexander Barti

Am 6. September 1950 wurde das königlich-preußische Stadtschloß in Berlin in die Luft gejagt. Es war vom Krieg schwer beschädigt. Bei dem tagelangen Sprengkommando ging es aber nicht um die Beseitigung einer häßlichen Ruine. Die kommunistische Führung in der Sowjetischen Besatzungszone wollte vielmehr ein Signal gegen den verhaßten "Obrigkeitsstaat" Preußen setzen. Der Arbeiter- und Bauernstaat hätte auch den Dom abtragen können, aber man befürchtete weltweite Proteste, schließlich war die Totalsäkularisation der Menschen noch nicht abgeschlossen.

Heute, nachdem die Antiautoritären von einst dabei sind, eine Herrschaft des moralischen Totalitarismus zu installieren, redet man auch wieder vom Aufbau des Stadtschlosses. Aus Sicht der Städtebauer und Ästheten müssen die ehrwürdigen Mauern wieder errichtet werden. Einverstanden. Nach den Plänen der Investoren sollen in dem Schloß Läden, Gaststätten und Kongreßhallen Belustigung für die tumbe Masse bieten. Nicht genug damit, daß es auch ohne die großen Flächen innerhalb des Schlosses schon genug Leerstand in der deutschen Hauptstadt gibt. Historische Fassaden zu errichten, ohne ihren ursprünglichen Inhalt zu berücksichtigen, ist schon öfter schiefgegangen, wie am Beispiel der Potsdamer Heilig-Geist-Kirche zu sehen ist. Was in einer Zeit, die Diskotheken in Kirchen einrichtet, normal erscheint, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Eigentor. Denn mit der Masse im Schloß hätten die marxistischen Barbaren endgültig gewonnen.


 
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