© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/00 01. September 2000

 
Einfache Wahrheiten
Dieter Stein

Wir treffen Valeri Tschechowski, den Ausländerbeauftragten von Potsdam-Mittelmark auf dem Potsdamer Hauptbahnhof. Ein trostloser Bau der Nachwendezeit im Media-Markt-Design. Wir sprechen mit Tschechowski über seine Arbeit und die aktuelle politische Lage. Er ist ein Mann der Praxis. Er hat direkten Kontakt mit den Menschen, die in den Orten um Potsdam zusammenleben. Es sind einige Brandenburger Problemorte dabei. Tschechowski ist gelassen. Er hat das Interesse und Desinteresse an dem Schicksal der in seiner Region lebenden Ausländer kommen und gehen sehen. Er hat einen realitätsnahen Blick auf die Zustände. Und er redet mit allen Seiten. Auch mit den derzeit in den Medien zu Monstern stilisierten "rechten" Jugendlichen. Feinfühlig hat er bei den Deutschen ein "gekränktes Nationalgefühl" erkannt, das sich in dieser Jugendszene niederschlägt. Wenn Jugendliche sagen "Ich bin stolz, Deutscher zu sein", so sei dies der Versuch, ein solches Nationalgefühl zu artikulieren.

Traurig blickt Tschechowski auf die Hilflosigkeit der Deutschen, sich ihrer Identität zu vergewissern und sich zu ihr zu bekennen. Helfen kann er den Deutschen hierbei nicht. Er muß sich um die Belange der Ausländer kümmern – das ist Arbeit genug. Doch das große Schweigen, der große Bogen, der um die Problematik gemacht wird, erleichtert seine Arbeit nicht. Die Konzentration auf die Fragen der Gleichstellung, der Fragen des Arbeitsmarktes, Sozialleistungen, Wohnen ist angesichts dessen pragmatisch und konsequent.

Deutschland ist nicht in der Lage, sich ehrlich und realistisch dem Einwanderungsproblem zu nähern. Sofort wird das Thema moralisch überfrachtet. Länger in Deutschland lebende Ausländer wissen am besten, wie notwendig hier eine vernünftige Lösung ist. Ideologisierte Lobbyisten der "Einwanderung für alle" haben bei den alteingesessenen Ausländern überhaupt keinen Stand und werden nicht ernst genommen. Ansonsten geht es um die rechtsstaatliche und produktive Organisation des Zusammenlebens. Man kann lange darüber räsonnieren, daß die Einwanderungspolitik der Kohl- und Schmidtregierungen ein Fehler war – sie hat stattgefunden.

Die intelligente Rechte in Deutschland sollte sich endlich von illusionären Utopien verabschieden, die seit Anfang der sechziger Jahre in Westdeutschland stattgefundene faktische Zuwanderung von rund acht Millionen Ausländern ließe sich revidieren. Es sind realitätsnahe Ideen zu einer Integrationspolitik im nationalstaatlichen Kontext gefragt. Dazu sind diejenigen gefordert, die mit diesem konfliktreichen Prozeß zu tun haben: Sozialarbeiter, Erzieher, Lehrer, Polizisten, Richter.

Worum es sich letztlich dreht, ist eine quantitative Begrenzung, eine Klärung des anachronistischen Asylrechtsanspruchs nach deutschem Recht und eine an deutschen Interessen orientierte gedrosselte Einwanderung. Nicht mehr und nicht weniger.


 
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