© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/00 25. August 2000

 
Blick in die Medien
Nichtereignis
Ronald Gläser

Selten war ein Wahlkampf in Amerika so langweilig, selten waren die Aussagen der wichtigsten Kontrahenten so ähnlich, selten erschien der Ausgang der Novemberwahlen so unbedeutend. Um so mehr wurde die Öffentlichkeit mit "Neuigkeiten" und "Analysen" zu den Parteitagen von Republikanern und Demokraten bombardiert. Auch die deutschen Medien berichteten täglich über das Nichtereignis. "Albert Gore kommt entgegen der Parteitagsregie einen Tag früher zum Konvent und umarmt auf der Bühne seine Tochter", lautete eine der bahnbrechenden Meldungen. Zeitungsredaktionen, Radio- und Fernsehsender entsenden für viel Geld Reporter, die alle über die Parteitage berichten sollen und vor Ort ganze Containerdörfer bevölkern. Wenn dann die spektakuläre Nachricht ausbleibt, wird eben das wiedergekäut, was CNN in seiner letzten Live-Schaltung berichtet hat. Gerade für ausländische Berichterstatter ist es ohnehin schwer, einen bedeutenden Gesprächspartner zu finden, weil den entsprechenden Akteuren ihr Bild im Ausland ungefähr so wichtig ist wie der sprichwörtliche Sack Reis in China.

Weil es keine Auseinandersetzung und keinen Disput mehr gibt, nicht einmal zwischen den Kandidaten, locken die Politiker aber auch niemanden mehr vor den Fernseher. Miteinander konkurrierende Weltbilder wie etwa 1968 (Nixon–Humphrey) oder 1980 (Reagan–Carter) scheinen nicht mehr zu existieren. Trotz permanenter Berichterstattung fiel die Einschaltquote unter jüngeren Amerikanern um ein Fünftel auf unter 40 Prozent.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen