© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/00 25. August 2000

 
JF INTERN
Besuch in der Tonne

Eine Viertelstunde stehen die JF-Redakteure unruhig im Garten des großen stillen Hauses in den grünen Hügeln Heidelbergs. Unten im Tal fließt träge der Neckar in schwerer Mittagshitze. Haben wir vielleicht den falschen Termin? Schließlich öffnet uns der uralte Meisterphilosoph doch die Pforte. Er ist in diesen Tagen allein im Haus und braucht seine Zeit für die wenigen Flurmeter bis zur Haustür. Hans-Georg Gadamer ist hundert Jahre alt, älter als seine drei zum Interview erschienenen Besucher zusammen. Freundlich führt er uns in seine wohnräumige Bücherwelt. Durch Panoramascheiben flutet das satte Grün des Baumwipfelmeeres; leuchtend, unendlich und blau wölbt sich der Himmel über die entrückte Klause. Eine Philosophen-Welt.
Stehengeblieben in der Zeit, gefroren, liegt die Ruhe wie Patina über Möbeln, Büchern, Bildern. Das Haus, erbaut und eingerichtet in den Jahren des bundesrepublikanischen Wiederaufbaus, bezeugt wie ein Museum die uns Heutigen so weit entfernten, entscheidenden Bürgerjahre dieses Mannes. Die Außenwelt: ein Stück erstarrte Zeit und ein paar Wohnungsmeter. In seiner Innenwelt jedoch verreist er in die Unendlichkeit. Und dann spricht Hans-Georg Gadamer, wie die „alte Parre“ im klassischen Urweltroman „Rulaman“, zu uns das erste Wort ...

 
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