© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/00 25. August 2000

 
Tanz am Kap
Ballett und Oper im Kapstädter Nico Theater
Julia Poser

Eine Gruppe von 80 bis 90 Jun gen und Mädchen von acht bis zehn Jahren sprang fröhlich schwatzend die Treppe zum Kapstädter Opernhaus hinauf. Aber die Sorge des fachkundigen Publikums um eine vielleicht gestörte Ballettaufführung war unbegründet: Die jungen Zuschauer folgten ruhig den drei gänzlich unterschiedlichen und anspruchsvollen choreographie mit staunendem Interesse.

"By Design", nach der Musik von John Cale, führte in die glitzernde Welt der Mannequins, ihrer Bewunderer und den verwickelten Liebschaften dieser Paradiesvögel. In kurzen Szenen brachten sechs großartige Tänzerinnen und Tänzer die Welt der "Schönen und Reichen" in modernem, aber auf klassischer Grundlage basierendem Stil.

Ob "Tranfigured Night" (Verklärte Nacht) von Arnold Schönberg und die Interpretation von Frank Staff wohl passend für die kleinen Schüler war? Denn es wurde eine Familientragödie beschrieben, in der die ältere hartherzige Schwester ihre jüngere Schwester und den schwachen Bruder beherrscht. Als ein Liebhaber der jüngeren erscheint, zwingt sie den willenlosen Bruder zum Mord am Verehrer. Tödliche Grausamkeit und wütender Haß aber auch glückliche Verliebtheit wurden von vier hervorragenden Solisten auf höchstem Standard gezeigt.

Zur Musik von Schuberts 2. Symphonie offerierten dann beglückend die Kapstädter Ballettkompagnie mit ihren Stars Tracy Li, Alison Fenemore und Coert Grobbelaar ein berauschend schönes klassisches Ballett und bewies damit wieder einmal, daß sie ästhetisch und technisch perfekt zu tanzen versteht.

Der berühmte Choreograph Marius Petipa wußte genau, daß dem ballettverwöhnten St. Peterburger Publikum die Episoden um Cervantes DonQuixotte allein nicht genügen würden, als er 1871 sein Ballett "Don Quixotte" auf die Bühne des Maryinsky Theaters brachte. Der "Ritter von der traurigen Gestalt" bildet nämlich nur den Aufhänger für eine glänzende Folge von klassischem Ballett und Charaktertanz, von spanischer Folklore und Pantomime. Die Musik schrieb der Wiener Ludwig Minkus, "Erster kaiserlicher Ballettkompositeur" am Zarenhof. Das Hauptthema ist die Geschichte von der schönen Kitri, die den armen Basilio liebt, aber den reichen, törichten Edelmann Camacho heiraten soll. Don Quixotte, der in Kitri seine angebetete Dulcinea sieht, will für ihr Glück kämpfen.

Veronika Paeper, einst Kapstadts gefeierte Solotänzerin, erwies sich wieder als eine begabte Choreographin. Sie hielt sich enger an Cervantes Roman als üblich und vermied vor allem, den alten Recken zu einer lächerlichen Randfigur zu machen: Tragisch und bedauernswert nach seinem Kampf mit den Windmühlenflügeln – aber niemals als senilen Trottel. Mit John Simons stand ein außergewöhnlich talentierter Tänzer und Darsteller auf der Bühne. Seine illustre Karriere dauert jetzt schon 40 Jahre, und auch an diesem Abend war der Künstler trotz aller zauberhaften Ballerinen um ihn herum die Hauptperson. Neben ihm Elouise Sauer als geschmeidige Kitri und Hisham Omardien als sprunggewaltiger Basilio. Große Hochachtung auch den vielen anderen begabten Tänzerinnen und tänzern in ihren kleineren Rollen! Peter Cazalet zauberte mit einfachen, aber wirkungsvollen Bühnenbildern spanisches Ambiente. Besonders beeindruckten die sich im Mondlicht bewegenden Windmühlflügel, gegen die Don Quixotte auf seinem köstlichen "Streitroß" Rosinante anzukämpfen versuchte. Die farbenfrohen Kostümme waren eine echte Augenweide.

Sir Francis Drake, der Pirat und Weltensegler der englischen Königin, nannte das Kap "the fairest Cape", das schönste Kap, das er je umschiffte. Besucher dieser fernen Gegend sollten nicht versäumen, im Kapstädter Nico Theater sich eine Ballettaufführung oder eine Oper anzusehen.


 
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