© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/00 25. August 2000

 
WIRTSCHAFT
Start in den Internet-Überwachungsstaat
Bernd-Thomas Ramb

Da hat der Finanzminister ge rade 100 Milliarden Mark durch den Verkauf von Lizenzen in das Staatssäckel eingefahren, schon stürzt er sich auf eine neue ungeheure Einnahmequelle, die Besteuerung der privaten Nutzung des Internets am Arbeitsplatz. Die sieht er als "geldwerten Vorteil", einen versteckten Zusatzlohn, der selbstverständlich der Steuerpflicht unterliegt. Dazu sollen ein ganzes Jahr lang sämtliche Einzelverbindungen aufgelistet und nach "privat" und "dienstlich" getrennt werden. In den überwiegenden Fällen werden die danach berechneten anteiligen Kosten unter der bereits für Telefonate bestehenden Freigrenze von 50 Mark pro Monat liegen. Dem spontanen Vorwurf "So ein Unsinn" begegnen die spitzfindigen Finanzbürokraten mit dem Einwand, das würde ja auch umgekehrt gelten, wenn der private Internetanschluß beruflich genutzt wird. Also soll zu Hause ebenfalls detailliert erfaßt werden, wann welche www-Seite angeklickt wurde.

Die Aufzeichnungen bewirken bei Firmen wie Privatpersonen einen enormen Verwaltungsaufwand, der teilweise durch automatische Protokollsysteme abgewendet werden kann. Die Inhalte der Aufzeichnungen sind das eigentlich interessante – eine willkommene Informationsquelle des modernen Bürgerüberwachungsstaats. Hier läßt sich trefflich feststellen, wer dazu neigt, Porno- oder Nazi-Seiten anzuklicken oder durch hektische Broker-Aufrufe in den Verdacht gerät, Aktieneinkünfte zu verschweigen. Die Schnüffelunterlagen müssen allerdings laufend aktualisiert werden. Da könnte das Finanzamt doch freundlicherweise seine technische Unterstützung anbieten: Die direkte Vernetzung der Staatscomputer mit den Internet-Zugriffsprotokollen der Unternehmens- und Privatcomputer.


 
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