© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/00 25. August 2000

 
"Wir arbeiten für den kleinen Mann"
Interview: Der dänische EU-Parlamentarier Mogens Camre über seinen Wien-Besuch und den Boykott der EU-14
Markus Freilinger/Martin Pfeiffer

Herr Camre, Ihre Partei wird in den Medien als rechtspopulistisch bezeichnet. Wie definieren Sie Ihre Partei und deren Ziele, insbesondere in bezug auf die EU?

Camre: Ich war selbst 20 Jahre hindurch Mitglied des dänischen Parlaments für die sozialdemokratische Partei, und die Mehrheit unserer Stimmen kommen von den ehemaligen sozialdemokratischen Wählern. Wir haben ein klares Sozialprofil, wir verteidigen vor allem die Interessen der gemeinen Bevölkerung. "Populistisch" heißt man, wenn man populäre Anschauungen unterstützt. Das ist meiner Meinung nach ein politischer Versuch, uns zur Seite zu schieben. Die EU betreffend kann ich sagen: Wir sind nicht EU-Gegner, sondern wir finden, daß die Zusammenarbeit innerhalb der europäischen Länder, auch Ost- und Zentraleuropa, für die Zukunft Europas ganz wichtig ist. Aber wir wünschen uns, daß es eine Zusammenarbeit zwischen selbstständigen Ländern gibt. Wir wollen keine Bundesrepublik Europa, keine Vereinigten Staaten Europas. Wir glauben, daß es gegen die Entwicklung der Demokratie ist. Ganz einfach, weil der Abstand von den einzelnen Ländern nach Brüssel zu lang wird. Ich sitze ja jetzt im EU-Parlament, ich kenne die dortigen Verhältnisse, weil ich als Diplomat vier Jahre hindurch in Brüssel bei der ständigen Vertretung Dänemarks tätig war. Wir sehen so viele antidemokratische Züge, ganz einfach, weil die Bürger in den verschiedenen Ländern verschiedene Sprachen sprechen, und es ist unmöglich, eine echte politische Debatte und einen Dialog unter Menschen zu halten, die einander nicht völlig verstehen. 

Wie sehen Sie die Einsetzung des EU-Weisenrates für Österreich?

Camre: Das ist unbedingt gegen die Demokratie. In Österreich ist es ja nicht zu einem Putsch gekommen, sondern die Wahl war völlig demokratisch, die Parteien sind alle demokratisch verpflichtet. Kein Ausländer ist in Österreich schlecht behandelt worden. Ich kann viele Beispiele geben, daß Menschen in Frankreich, in Italien oder in anderen europäischen Ländern viel weniger Schutz und viel weniger wirtschaftliche Unterstützung haben als in Österreich. Also in Österreich ist nichts zu kritisieren. Deshalb ist der Weisenrat ganz unakzeptabel. Wir glauben, daß es viel gefährlicher, viel schwieriger ist, verschiedene Kulturen zu integrieren. Wir haben nichts gegen Menschen von anderen Nationalitäten oder Rassen oder Farben. Es handelt sich nur um den Unterschied zwischen den Kulturen. Wir sehen ja leider, daß speziell die islamische Kultur sehr feindlich ist gegenüber anderen Kulturen überall in der Welt. Und das ist bekümmernd, denn wir riskieren, daß ernste Schwierigkeiten in der Zukunft in den europäischen Ländern entstehen.

Warum werden die EU-Sanktionen von Ländern unterstützt wie Spanien, Portugal, aber auch Griechenland, die sehr lange eine Militärdiktatur hatten?

Camre: Ich glaube vor allem, daß Österreich wie Dänemark ein kleines Land ist, und man konnte sich solche Sanktionen gegenüber Frankreich oder Italien nicht erlauben. In den verschiedenen europäischen Ländern gibt es ja eine Reaktion. Ich sehe nicht den Wahlsieg der Freiheitlichen als einen Ausdruck des Rassismus innerhalb der österreichischen Bevölkerung, sondern es sind besorgte Menschen, die mehr wirtschaftliche Kriminalität und auch Gewalt von den Einwanderern fürchten. In Dänemark werden fast 40 Prozent der Morde von Ausländern begangen. Und das ist schockierend für eine friedliche Bevölkerung in einem kleinen Land. So ist es in ganz Europa. Ich reise sehr viel, und überall stelle ich diese Sorge über den Einfluß von großen Gruppen von Menschen, die andere Kulturen einführen möchten, fest. Diese Menschen kommen nicht nach Europa, um Europäer zu werden, sondern sie kommen, um ihre Kultur in Europa weiterzuleben. Nicht alle, aber sehr viele, speziell die islamischen Einwanderer. Und deshalb ist es ein Problem. Ich möchte hinzufügen, daß wir in Dänemark niemals Gewalt und Terror gegenüber Fremden sehen. Wir haben Gewalt gegenüber Dänen, wir haben Vergewaltigungen an jungen dänischen Mädchen von arabischen Banden gesehen. Aber niemals von den Dänen gegenüber den Ausländern.

Ist Ihre Partei – wie früher die FPÖ – "ausgegrenzt", oder sind Koalitionen mit den anderen dänischen Parteien denkbar?

Camre: Die FPÖ ist jetzt nicht mehr ausgegrenzt, sie ist Mitglied der Regierung. Bei uns ist die große Frage, ob nach der nächsten Wahl eine Mehrheit aus den Liberalen, den Konservativen und uns besteht. Das ist wohl die einzige Möglichkeit, eine neue statt der heutigen sozialdemokratischen Regierung zu bekommen. Wir arbeiten daran, mit den anderen bürgerlichen Parteien eine neue Regierung herbeiführen zu können.

Sie sitzen im EU-Parlament. Welche Kontakte gibt es zu anderen freiheitlichen oder Rechts-Parteien in Europa?

Camre: Wir sind nicht besonders rechts orientiert. Ich bin Mitglied der Gruppe "Europa der Nationen", unser Vorsitzender ist der ehemalige französische Innenminister Charles Pasqua. Er gehört dem europakritischen Teil der Gaullisten-Partei in Frankreich an. Unser erster Vize ist Gerard Collins, der Ex-Außenminister von Irland. Unsere neuen Mitglieder aus Italien kommen von der Alleanza Nazionale, dazu kommen noch Mitglieder der Parti de popular aus Portugal und ich. Wir sind insgesamt 30 aus fünf Ländern. Die Dänische Volkspartei ist gegen das Euro-System, weil es wahrscheinlich nicht funktioniert. Man sieht ja heute, daß der Euro gegenüber dem Dollar schwer verloren hat. Wir möchten unsere Krone behalten.

Werden das die Dänen bei der Euro-Abstimmung den Euro ablehnen?

Camre: Das werden wir um Mitternacht am 28. September wissen.

Sehen Sie Parallelen in der Programmatik Ihrer Partei zur FPÖ?

Camre: Eigentlich nicht. Außerhalb des EU-Parlaments kommen wir oft mit denbritischen Torys zusammen. In Dänemark gibt es eine Hetze gegen Herrn Haider. Ich kenne Herrn Haider nicht, ich kenne keinen Menschen aus seiner Partei. Wir haben bisher keine Kontakte gehabt. Deshalb suchten wir durch unsere Botschaft hier in Wien vor einigen Tagen den Kontakt. Nicht wegen einer Zusammenarbeit, sondern unsere Hauptaufgabe für uns hier war, die EU-Beobachtungsstelle für Rassismus zu besuchen. Da fanden wir, daß wir gleichzeitig die beiden Regierungsparteien besuchen sollten, um ihre Auffassung zu hören. Das war alles. Wir sehen den Einfluß der EU hier als so groß an, daß die beiden Parteien es nicht wagten, uns als "rechtsorientierte" Partei zu treffen. Ich möchte hinzufügen, 1945 sah ich als Neunjähriger, wie mein Vater in unserem Haus von der Gestapo verhaftet wurde. Er endete in einem KZ. Ich war mein Leben lang in Widerstandsbewegungen tätig. Ich fühle mich unter keinen Umständen als Rechtspopulist oder als Rechtsextremist. Wir arbeiten für den "kleinen Mann", und wir arbeiten nur mit demokratischen Methoden.

 

Mogens N. J. Camre

geboren 1936 in Randers, Mitglied der Dansk Folkeparti (Dänischen Volkspartei) ist stellvertretender Vorsitzender der Fraktion "Union für das Europa der Nationen" im EU-Parlament, Mitglied im Ausschuß für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten sowie Mitglied im Ausschuß für Haushaltskontrolle, Stellvertreter der Delegation für die Beziehungen zu den Maghreb-Ländern und der Union des Arabischen Maghreb, Mitglied der Delegation im gemischten parlamentarischen Ausschuß EU-Lettland.
 
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