© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/00 25. August 2000

 
Horst Mahler
Weg in die Einsamkeit
von Dieter Stein

Horst Mahler ist der NPD beigetreten. Die Nachrichten in diesen Tagen sind irritierend. Diese nicht weniger. Ob er einen langen Weg zurücklegen mußte, um bei der in schwarz-weiß-rote Scherpen gehüllten Partei anzukommen? Eine gute Frage. Ich war ihm im Frühjahr 1998 das erste Mal begegnet. Immer noch umgab ihn die Aura des "RAF-Gründers", vor dem viele ehrfürchtig erstarrten. Der radikale Weg der RAF hatte immer den beängstigenden erotischen Reiz des totalitären Schreckens, vor dem Intellektuelle oft genug in den Staub sanken.

Horst Mahler scheint von der zehnjährigen Haft, die er als Terrorist absaß, überhaupt nicht gezeichnet. Während andere RAF-Mitglieder gebrochen und greisenhaft die Gefängnisse verließen, scheint der 64-jährige heute noch Bäume ausreißen zu können. Seine Wiederzulassung als Anwalt erstritt ihm 1988 der heutige Bundeskanzler Gerhard Schröder. Beide hatten sich zur Haftzeit Mahlers kennengelernt, und auch Schröder war offenbar von der Aura des Guerilleros und kalten Intellektuellen Mahler fasziniert.

Autistisch Hegel und Marx zitierend, schlafwandelt er in seinen Schriften und Reden, wie auch im persönlichen Gespräch. So sehr möchte man den Menschen hinter der Mauer entdecken, doch sein Blick ist in die Ferne gerichtet und er selbst weit fort.

Die Pressemitteilung zu seinem NPD-Beitritt ist die erschütternde Offenbarung eines politisch vereinsamten Mannes: Die seitenlange Erklärung ist eine rätselhafte, weitschweifige Begründung für Antisemitismus und die Bedrohung durch die Juden. Mahler spricht von einer "geheimen Regierung" Deutschlands und entfaltet eine Verschwörungstheorie, die kaum eines der gängigen Klischees ausläßt. Verfaßt nur in der kühlen Sprache des Marxisten und Anwalts.

Mahlers Schicksal ist es, daß er für die NPD lediglich als schrilles Aushängeschild dienlich ist. Seine intellektuelle Sendung, dort Marx und Hegel unters Volk zu bringen, stößt auf taube Ohren. Viele würden ihm zuhören, wenn er in menschlich warmen, klaren und verständlichen Worten über die Versuchung der Gewalt für eine politische Bewegung sprechen würde. Wenn er schildern würde, weshalb der Weg der gewalttätigen 68er APO und der RAF ein verheerender Irrtum war.

Mahler hätte als entscheidender Theoretiker des RAF-Terrors die verdammte Pflicht, seinen Zuhörern, die ihm bewundernd an den Lippen hängen, zu sagen, wie sie einen konstruktiven Beitrag für ihr Land leisten können und wie man Gewalttäter von der Straße holt. Doch weiß er es wohl nicht oder will es nicht sagen. In Horst Mahlers Gestalt ist der Umschlag von Politik in Terror eingeschlossen. Er tut nichts, um diese Aura zu durchbrechen.

Vor zwei Jahren war Horst Mahler auf einer Gratwanderung zwischen links und rechts. Er ist in einer tragischen Sackgasse zum Stillstand gekommen.


 
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