© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/00 18. August 2000

 
Springer-Presse gegen Springer-Stiefel: Eine Kampagne der "Berliner Morgenpost"
Kein Sex mehr mit Skins
Manuel Ochsenreiter

Hans Haacke wußte es ja schon immer: "Es ist mal wieder soweit". So eröffnet er sein Statement in der Berliner Morgenpost. Deutschland steht kurz vor einer nationalsozialistischen Machtübernahme, so jedenfalls das Bild, daß die Medien von Deutschland zeigen. Und Hans Haacke, der den Lichthof des Reichstages, pardon, des Deutschen Bundestags, Plenarbereich Reichstagsgebäude, in eine Mini-Bundesgartenschau verwandeln will, die er der Bevölkerung widmen wird, vermißt bei der momentanen Empörung der Politik die volle Glaubwürdigkeit.

Dem Normalbürger, sofern es ihn überhaupt noch gibt, dürfte am Mittwoch, dem 9. August vor Erstaunen jedenfalls das Frühstücksbrötchen in den Kaffee gefallen sein, als er die Berliner Morgenpost aufschlug. Diese präsentiert sich seitdem als Speerspitze des deutschen Antifaschismus und füllt fast eine ganze Ausgabe nur mit dramatischen Kommentaren von Prominenten. Während anderen Zeitungen die Meldung eines Terroranschlags mit acht Toten in Moskau noch einen Aufmacher wert war, quetscht die Morgenpost dieses Geschehen auf der Titelseite in nicht einmal neun Zeilen. Dafür schaut Moderations-Dinosaurierin Sabine Christiansen engagiert dem Leser entgegen und fordert: Mischen Sie sich ein! Selbst Gerhard Schröder legt den Sangria-Eimer beiseite, um zu mahnen. Unsere Geschichte erlaubt keine Ausrede. Schauspieler Wolfgang Völz entwirft kreative einen Modellversuch: Schließt die Skins in einem Big-Brother-Container ein und spielt ihnen so lange die kranken Reden Hitlers vor, bis sie ihnen aus den Ohren rausquillen!

Rudi Völler hingegen plaudert ein bißchen von der Internationalität des Fußballs, und Hugo Egon Balder, der vor einigen Jahren noch ein bißchen Pfui-TV machen durfte, sieht diese braune Soße wieder hochköcheln. Unterhaltsam wird es erst wieder bei Autor Horst Pillau, der auf Seite 13 mit einem Bühnenstück brilliert, daß sicherlich in keinem Volkshochschul-Schauspiel-Kursus fehlen darf:

Karl: Aber Freddy, Wir sind doch alle Ausländer, mehr oder weniger. Und du erst recht!

Fred: Ick? Ausländer? Sagense det noch mal! Wer Pillaus Prosa dann ohne bleibende Schäden übersteht, kann sich ein paar Seiten später von Michel Friedman einölen lassen. Er rät zur Bekämpfung von Rechts vom Aspirin ab, da jetzt nur noch ein Breitbandantibiotikum helfe. Überraschend intelligent ist der Kommentar des Entertainers Wolfgang Lippert. Er hat sich anscheinend tatsächlich Gedanken gemacht – oder einen PR-Mann, der sich nicht ausschließlich aus Weizsäcker-Reden bedient. Er sieht als Ursache für die Gewalt die fehlende Zuneigung der Eltern und fordert daher "Mehr Zeit für Kinder".

Fast putzig wirkt da schon wieder Babette Einstmann, die uns normalerweise in der Knoff-Hoff-Show die Wunderwelt der Physik im gediegenen Jazz-Ambiente nahebringt. Statt rechte Gewalt auszuüben, sollten wir für mehr Menschenrechte kämpfen. Echt lieb halt.

Klar ist, daß bei dieser Einheitsfront auch Gregor Gysi nicht fehlen darf. Erwartungsgemäß schiebt er den Schwarzen Peter Politikern von CSU, CDU und SPD zu. Es dürften zukünftig von der Politik keine Ängste mehr geschürt werden, was nichts anderes heißt, als daß Themen wie Ausländerkriminalität und Asylbetrug vollends von den Tagesordnungen gestrichen und damit tabuisiert werden sollen. Und TV-Komiker Ingo Appelt tritt den Beweis an, daß das politische Kabarett endgültig tot ist. Sein Beitrag gegen die rechte Gewalt ist eigentlich auch ein Fall für die Hausapotheke: als Schlafmittel. Als leidenschaftlicher Antifaschist, der er nun mal sei, empfiehlt er vor allem der Frauenwelt "Kein Sex mit Skins". Man kann sich höchstens noch dabei ein Grinsen abringen, wenn man bedenkt, daß Appelt hier wohl ganz offensichtlich das ein oder andere persönliche Problem verarbeitet.

Peitsche bei Fuß am Eingang zum künftigen antifaschistisch-demokratischen Umerziehungslager steht die allseits bekannte Lea Rosh, deren Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas demnächst den Berlinern 2.000 Betonsäulen bescheren wird.

"Mir sind vor allem die Fratzen dieser Brutalos im Gedächtnis hängen geblieben", schreibt sie nicht ganz ohne Schaum vor dem Mund. Anscheinend bedient sie sich bei ihren Ausführungen aus DDR-Geschichtsbüchern:

"Wir stehen heute vor dem Ergebnis, das wir vor Jahren nach dem Krieg selbst zugelassen haben: daß sich Nazis wieder in die Gesellschaft integrieren konnten und zwar nahtlos".

Und wie behandelt man am besten die Rechten? Richtig! Nachdem man sie aus ihren Arbeitsverhältnis gelöst hat, müßte man sie sich dann gleich zur Brust nehmen und ihnen demokratischen Unterricht erteilen. Frau Rosh hat echt das Zeug zur Galeeren-Trommlerin.

Man kann sich wirklich nur schwer vorstellen, was bei der Springer-Presse zu solchen eigenartigen Blüten geführt hat. Ist die Redaktion in Urlaub und hat das Feld den Praktikanten von der Jungle World überlassen? Psychedelische Pilze in der Kantine? Parole des Monats: "Mit Springer-Presse gegen Springer-Stiefel?"

Es ist halt mal wieder soweit – wenn Haacke damit die x-te öffentlich gesteuerte Hysterie meinen würde, hätte er wahrscheinlich recht.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen