© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/00 18. August 2000

 
Kolumne
Totengräberin
von Klaus Hornung

Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel hat ihre beiden ersten Bewährungsproben nicht bestanden. Bei den Steuergesetzen ist sie nach eigenem Eingeständnis "zu gutgläubig" gewesen. Und in der andauernden Kampagne von Rot-Grün "gegen Rechts" hat sie die fehlende Unionsstrategie durch billige Rhetorik zu ersetzen versucht und ist damit auf den rot-grünen Propagandawagen aufgesprungen. Reichlich naiv nimmt sie die Kampagne zum Nennwert und fragt nicht nach den damit verbundenen politischen Zielen. Dabei ist es nicht zum ersten Mal, daß man in unserer Republik mit dem Ruf "Der Feind steht rechts!" sie weiter nach links kippen will, hin zu einer "antifaschistisch-demokratischen Ordnung" im Stil der frühen DDR.Und von den wirklichen Ursachen der Glatzen ist schon gar nicht die Rede: Weder von der pausenlosen Gewaltverherrlichung des Fernsehens noch von Arbeits- und Perspektivenlosigkeit der Jugend, weder von der bei uns seit dreißig Jahren stattfindenden Zerstörung der Familie durch Gesetzgebung und Medien im Sinn der rot-grünen Emanzipationsideologie, weder von der so oft geringen Vorbildwirkung der politischen Klasse noch vom zunehmenden Atheismus als stärkster Konfession. Wirkliches, auch selbstkritisches Nachdenken des Parteienstaates wäre eben anstrengender als das lauthalse Rufen nach Polizei und Gesetzen.

Der einzige führende CDU-Politiker, der in dieser Kampagne sich bis jetzt zu Ursachenforschung und der daraus zu gewinnenden Strategie vernehmen ließ, war Ministerpräsident Roland Koch in Hessen. Gar nicht politisch korrekt enthüllt er als eine der Ursachen von "Fremdenfeindlichkeit" den in raschem Gang befindlichen Abbau des Nationalstaats als Voraussetzung von Identität, Sicherheitsgefühl und demokratischer Legitimation. Er nimmt – endlich – die Furcht der Fortschritts- und Globalisierungsverlierer ernst, der "kleinen Leute" im unteren Drittel der Gesellschaft, die die Zeche bezahlen müssen. Die daraus zu ziehenden Folgerungen hätten Auswirkungen von der Einwanderungs- bis zur Europapolitik. Verglichen etwa mit Frankreich oder England vernachlässigen die Bundesregierungen schon seit längerem die deutschen Interessen zum Beispiel bei der Europäischen Union.

Die CDU läge insgesamt richtig, würde sie solche Analysen und die Strategie-Ratschläge aus Hessen aufgreifen. Dauert das gegenwärtige Desaster der Strategielosigkeit à la Merkel fort, wird sich die Union jede Hoffnung, etwa 2006 an die Regierung in Berlin zurückzukehren, abschminken müssen.

 

Prof. Dr. Klaus Hornung lehrte Politikwissenschaft an der Universität Stuttgart-Hohenheim


 
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