© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/00 18. August 2000


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Altersmigration
Karl Heinzen

In der Diskussion darüber, ob die Beiträge zur Alterssicherung steuerfrei gestellt und erst die Rückflüsse im Alter besteuert werden sollen, hat Lorenz Jarass von der Fachhochschule Wiesbaden auf einen Aspekt aufmerksam gemacht, der den Ausschlag geben könnte. Die nachgelagerte Besteuerung von Alterseinkünften, so seine gegenüber dem "Handelsblatt" geäußerte Ansicht, "könnte dazu führen, daß sich immer mehr Rentner in den ‚Sonnigen Süden‘ absetzen". Mallorca etwa könnte in Zukunft auch noch als Steueroase für deutsche Wirtschaftsflüchtlinge zusätzlich attraktiv werden.

Für die Politik eröffnet sich hier die interessante Perspektive, über fiskalische Anreize doch einmal Einfluß auf die demographische Entwicklung unseres Landes zu nehmen. Wenn es schon nicht gelang, die Fertilität der Jungen zu stimulieren, so sollte es doch wenigstens möglich sein, die wachsende Präsenz der Alten in unserem Alltag ein wenig zu drosseln.

Die entgehenden Steuereinnahmen könnten durch einen Motivationsschub in der erwerbstätigen Bevölkerung mehr als kompensiert werden. Viele Menschen sind zwar schon allein in Antizipation des ja auch ihnen bevorstehenden Alters gewillt, durch ihre Leistung den grauen Müßiggang zu finanzieren, sie wollen von diesem aber nicht permanent im Straßenverkehr, in der Gastronomie, in Geschäften oder ganz allgemein im Stadtbild belästigt werden. Die Auswanderung möglichst vieler alter Menschen könnte hier für psychologische Entlastung sorgen, zumal sich vor allem jene zu diesem Schritt entschließen dürften, die mobil genug sind, denen, die für sie das Bruttosozialprodukt erwirtschaften, ständig in die Quere zu kommen. Die Migrationsströme sind allerdings durch bilaterale Abkommen so zu lenken, daß die Generationenkonflikte, die in Deutschland entschärft werden, nicht plötzlich in Urlaubsregionen ausbrechen.

Die Auswanderung der Alten wäre aber nicht nur im Interesse derer, die bleiben, sondern vor allem jener, die gehen. Die überwältigende Mehrheit der Rentner von heute hat in ihrem aktiven Leben mehr oder weniger verantwortlich daran mitgewirkt, daß die Bundesrepublik Deutschland das geworden ist, was sie geworden ist. Nun ist es an der Zeit, sich in Sicherheit zu begeben, wenn man die nötigen Mittel dafür hat. Die Entfremdung gegenüber einem nicht unwichtigen, sondern bloß machtlosen Teil der Heranwachsenden, der seine Probleme damit hat, sich in diese Welt, so wie sie ihm vorgegeben wird, zu schicken, nährt die Befürchtung, sich nun ausgerechnet gegenüber denen rechtfertigen zu müssen, für die man doch schließlich gar nicht gelebt hat. Darauf muß man sich wirklich nicht einlassen.

Das Modell Bundesrepublik aber vermag sich auch ohne jene zu vollenden, die es auf den Weg brachten. Denn dies ist das Schöne an Profit-Centern: Man kann auch aus der Ferne von ihnen profitieren.


 
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