© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    33/00 11. August 2000

 
Riesen-Rummel um Frequenz-Vergabe
Telekom: "Eintrittskarte in die Zukunft" – Auktionsverfahren umstritten – 18jähriger stellt Milliardenpoker in den Schatten
Ronald Gläser

Seit zwei Wochen pokern milliar denschwere Unternehmen um die Vergabe der UMTS-Lizenzen. Dank des Universal Mobile Telecommunications System kann man zwar nicht schneller telefonieren, aber die neue Technik ermöglicht deutlich höhere Datenübertragungsraten von zwei Megabit pro Sekunde, was der 30fachen ISDN-Geschwindigkeit entspricht.

Im Vorfeld war UMTS von Analysten und den beteiligten Unternehmen als "Eintrittskarte in die Zukunft" und als Voraussetzung für das Überleben am Mobilfunkmarkt bezeichnet worden. Frühe Schätzungen gingen von Geboten der Unternehmen in einer Größenordnung von bis zu 120 Milliarden Mark aus. Für Bundesfinanzminister Eichel stellte sich die UMTS-Auktion als "unerwartete Mehreinnahme zur Tilgung von Staatsschulden" dar.

Solch optimistische Schätzungen gehören inzwischen der Vergangenheit an. Längst hat eine Welle der Ernüchterung die Internet- und Telekommunikationsaktien an den weltweiten Börsen in den in Abgrund getrieben. "Telekommunikation und Internet ist nicht alles", kommentierte ein Börsenanalyst diesen Trend in der ersten Augustwoche – und die prognostizierten Auktionserlöse verringerten sich vor der Auktion auf rund 50 Milliarden Mark.

Im Rampenlicht der Öffentlichkeit begann das Bieterverfahren, von dem Agenturen teilweise minütlich berichteten, obwohl den 260 akkreditierten Journalisten die wirklichen Vorgänge hinter den verschlossenen Türen vorenthalten werden. Dort, in einer Mainzer Kaserne, treffen sich täglich jeweils vier Vertreter der sieben bietenden Unternehmen, beziehungsweise Konsortien: Deutsche Telekom, Mannesmann, Viag, E-Plus, Mobilcom, Debitel, Telefonica und die jeweils mit diesen Firmen verbündeten Konsortien. Am Ende dürften vier, fünf oder gar sechs Mobilfunkbetreiber Lizenzen erhalten.

Viele rechnen damit, daß sich am Ende die bestehenden Netzbetreiber durchsetzen, also Telekom, Mannesmann, E-Plus und Viag. Allerdings ist der netzunabhängige Betreiber Mobilcom, der gemeinsam mit der France Telecom angetreten ist, vom ersten Tag an mit den höchsten Geboten vorgeprescht und scheint gewillt zu sein, eine Lizenz um jeden Preis ergattern zu wollen. Nach einer Woche summierten sich die Angebote vergangenen Dienstag auf über 22 Milliarden Mark. Ein Ende der Versteigerung war bei Redaktionsschluß nicht absehbar.

Ob sich der Erwerb für die Telefongesellschaften jemals auszahlen wird, ist allerdings fraglich. Fünf bis zehn Milliarden Mark werden sie in die Netzinfrastruktur investieren müssen. Die Gewinnzone dürfte Ende des Jahrzehnts erreicht sein. Der Vorstandsvorsitzende der Mobilcom AG hatte sich einmal herablassend über solche Investitionen mit den Worten geäußert, er wolle nicht "Milliarden in den Sand verbuddeln." Um so erstaunlicher ist es, daß er jetzt für viele Milliarden ein neues Funknetz aufbauen will, dessen Lizenz ihn weitere Milliarden kosten wird.

Auch das Vergabeverfahren ist nicht unumstritten. Eine Auktion soll den fairen Marktpreis ermitteln. Der Markt besteht hier aber nicht aus Millionen Handynutzern sondern aus jeweils vier Abgeordneten der Konzernzentralen. Die erheblichen schwankenden Schätzungen für die letztlich gezahlten Preise beweisen, daß weder die Mobilfunkbetreiber noch die "interessierte Öffentlichkeit" einen "fairen Wert" für die UMTS-Lizenzen ermitteln konnten. Schließlich handelt es sich ja auch um ein Produkt, das in dieser Form noch nie verkauft worden ist.

Die Auktionen in anderen Ländern haben auch ganz unterschiedliche Ergebnisse hervorgebracht. In den Niederlanden fiel das Ergebnis mit gerade mal zweieinhalb Milliarden sehr gering aus. Neun Millionen waren erwartet worden. Dagegen hatte die Auktion in Großbritannien 75 Milliarden in die Kassen des britischen Finanzministers gespült. In Italien sollen die Bieter in Mindestschritten vorgehen, so daß eine zügigere Abwicklung gesichert ist.

Frankreich dagegen setzt auf einen fest fixierten Preis von rund zehn Milliarden Mark für die 15jährige Verpachtung der vier UMTS-Lizenzen. Hier werden wahrscheinlich die France Telecom, die Deutsche Telekom, Telefonica und drei weitere Bieter, darunter eine kanadische Firma, antreten. Auch die US-Firma Worldcom wird als Interessent gehandelt. Allerdings hat die französische Regulierungsbehörde den Termin für die Bekanntgabe der genauen Kriterien einfach verstreichen lassen.

Zweifellos bietet UMTS riesige Vorteile und nährt die Aussicht auf gewaltige Gewinne – in einer fernen Zukunft. Unter Umständen könnte UMTS aber auch ein Milliardengrab für die Telefonfirmen werden. Zum einen stellt sich die Frage, ob neben dem beruflichen und privaten Internetzugang jedermann den mobilen Internetzugang benötigt, weil er in der S-Bahn ein Musikvideo sehen oder einen Bestseller kaufen möchte.

Die Telefon- und Internetfirmen, die jetzt von künftigen Gewinnen träumen, können schlecht die wirkliche Nachfrage der Verbraucher nach Dienstleistungen im Jahr 2010 ermitteln. Es hat sich noch nicht einmal das WAP-System durchgesetzt, das Internetzugänge in herkömmlichen Mobiltelefonen ermöglicht. Als Alternative zu UMTS können schließlich auch in den "alten" Netzen dank der GPRS-Technik höhere Datenübertragungsraten realisiert werden.

Schließlich hat der 18jährige Sascha Haenel unlängst eine Software entwickelt, die immerhin Übertragungsraten von einem halben Megabit ermöglicht. Durch diesen Coup des Schülers, der erst in einem Jahr Abitur machen wird, könnte sich der Rummel um die UMTS-Vergabe im Nachhinein als Farce herausstellen.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen