© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    33/00 11. August 2000

 
"Das ist ein Dammbruch"
Der Rechtschreibreformkritiker Theodor Ickler über die Rückkehr der FAZ zur alten Rechtschreibung und die politischen Hintergründe der Reform
Moritz Schwarz

Herr Professor Ickler, Sie sind einer der bekanntesten Rechtschreibreformgegner. So sind Sie etwa 1998 vom Bundesverfassungsgericht als Vertreter der Reformkritiker zur Anhörung geladen worden und haben Beiträge unter anderm für FAZ und "Welt" geschrieben. Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie nun erfahren haben, daß die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" die alte Rechtschreibung wieder einführt?

Ickler: Ich war nicht ganz so überrascht, da ich von den Vorbereitungen wußte. Ich freue mich allerdings sehr, daß eine der großen deutschen Zeitungen den Anschluß an die Erwachsenenorthographie, wie sie eben in der Literatur und von zig Millionen erwachsenen Menschen noch benutzt wird, wiederhergestellt hat.

Ist das nun der Sieg der alten Rechtschreibung?

Ickler: Das ist noch schwer zu sagen. Aber wir wissen, daß nun auch in vielen anderen Redaktionen nachgedacht wird. Ich glaube aber, das Vorbild der FAZ wird seine Wirkung tun. Diesen Schritt halte ich für ein ganz entscheidendes Ereignis, das ist ein Dammbruch und ich persönlich glaube, daß er zum baldigen Ende Rechtschreibreform beitragen wird.

Im "Spiegel" vergangener Woche haben Sie gesagt, uns drohe nun "die Reform der Reform"?

Ickler: Ja, das sind die Korrekturen, die noch von den Reformern selbst bei der politisch durchgepeitschten Verabschiedung der Reform angemahnt wurden. Daneben gibt es aber tatsächlich auch den Gedanken, die Reform umfassend noch weiter zu revidieren. Bei jeder Korrektur entstehen genau dieselben hohen Kosten, die immer als Grund angeführt werden, warum die Rückkehr zur bewährten Rechtschreibung nicht möglich sein soll.

Sie sind der Verfasser des umfangreichsten Kommentars zu den neuen Rechtschreibregeln, dazu haben Sie das gesamte Regelwerk durchgearbeitet. Wie ist Ihre Bilanz?

Ickler: Das neue Regelwerk stellt an Umfang und an Kompliziertheit alles in den Schatten, was es bisher gegeben hat. Wenn man es nämlich einmal genau nimmt, sind das nicht bloß 112, sondern über tausend Regeln, und die Ausnahmen sind nicht weniger, sondern mehr als vorher. Ich habe ein Jahr harte Arbeit gebraucht, um das neue Regelwerk einmal ganz zu durchdringen, weil ich mir eben die Frage gestellt habe, die sich die Reformer nicht gestellt haben, nämlich wie wirkt sich all dies auf den gesamten Wortschatz aus? Und da kann ich nur feststellen, daß durch die neue Schreibung grammatisch falsche Ausdrucksweisen entstehen – was ein Todesurteil über eine Rechtschreibreform ist.

Ist das von Ihnen verfaßte Wörterbuch nicht ein Konkurrenzunternehmen zum Reform-Duden?

Ickler: Nein, eigentlich nicht. Der Duden hatte durch sinnlos starres Reglement im Wörterverzeichnis viel Verdruß über die alte Rechtschreibung hervorgerufen. Ich habe mich deshalb einmal hingesetzt und ein eigenes, rein orthographisches Wörterbuch verfaßt, das zeigt, daß man die bisher übliche Rechtschreibung genauer und zugleich viel einfacher darstellen kann. Diesen praktischen Beweis wollte ich liefern, als zusätzliches Argument für die bewährte deutsche Orthographie.

Welches Verdienst an diesem ersten Sieg der für die alte Rechtschreibung haben die Vereine, Initiativen und Einzelkämpfer, die den Kampf gegen die Reform auch nach deren Beschluß nicht aufgegeben haben?

Ickler: Ein sehr großes, das sich aber im einzelnen nicht auseinanderhalten läßt. Zum Beispiel haben wir unzählige Artikel und Leserbriefe für Zeitungen geschrieben und dadurch für Aufklärung gesorgt. Sehr verdienstvoll ist der "Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege" (VRS) mit seinem Vorsitzenden Manfred Riebe. Denn der VRS hat eine enorme organisatorische Leistung erbracht. Die Vereine und Initiativen haben dafür gesorgt, daß wir zum Beispiel zur Anhörung des Bundesverfassungsgerichtes geladen wurden. Ich bin zwar nicht Mitglied in irgendeinem dieser Vereine, aber als sprachwissenschaftlicher Berater bin ich ihnen allen sehr eng verbunden. Besonders eingesetzt haben sich aber auch die Organisatoren der Volksbegehren, vor allem in Schleswig-Holstein und Niedersachsen, eine ungeheuer schwere Arbeit, von der man sich kaum ein Vorstellung machen kann. Da arbeiten Leute bis zur Erschöpfung für den Erhalt unserer schriftsprachlichen Kultur. Dieser Idealismus ist unglaublich eindrucksvoll.

Thomas Steinfeld, Literaturchef der "FAZ", hat in einem Gespräch mit der "JUNGE FREIHEIT" die Befürchtung geäußert, er könne durch die Präsenz seiner Person in den Medien seit der Umstellung der "FAZ " zu einer komischen Figur wie der bekannte Einzelkämpfer Friedrich Denk werden. Ist es fair, jene, die sich so für die Sache der Kultur engagieren, solcherart zu qualifizieren?

Ickler: Das ist ganz und gar nicht fair. Ich bin mit Herrn Denk befreundet. Er ist absolut kein Wüterich, sondern ein umgänglicher Mensch voller Ideen, dazu ein weithin anerkannter Pädagoge und von zahllosen Schriftstellern hoch geschätzt. Er hat eben einen sehr ausgeprägten demokratischen Bürgersinn und hat für sein Engagement ja auch schon das Bundesverdienstkreuz erhalten. Außerdem hat er das literarische Leben in Bayern unwahrscheinlich beflügelt und unzähligen jungen Menschen gezeigt, was Deutschunterricht auch sein kann.

Was halten Sie von den Zeitungen, die gar nicht erst auf die Neuschreibung umgestellt haben?

Ickler: Außer der bedeutenden österreichischen Zeitung Die Presse haben einige kleinere deutsche Zeitungen sich geweigert, vor diesem Geßlerhut das Knie zu beugen, übrigens auf allen Seiten des politischen Spektrums. Aber das zeigt nur, es ist keine ideologische, sondern einfach eine Frage der Eigenständigkeit. Man traut sich bei den Großen, Konzerngebundenen eben einfach nicht, eine unabhängige Linie zu fahren. Nehmen sie zum Beispiel den Spiegel: anfangs hatte man lauthals getönt, man werde nie umstellen, aber dann hat man sich einfach angepaßt. Zuletzt hat noch Geo umgestellt, weil Gruner & Jahr, also Bertelsmann, es so befahl. Das Medienkartell hält eben zusammen, und nur unter dieser Voraussetzung konnten und können die Zeitungen den klaren Wunsch ihrer Leser nach der herkömmlichen Orthographie derart mit Füßen treten. Deshalb jetzt auch dieser Aufschrei wegen der "verantwortungslosen" FAZ. Die Zeitungen waren doch die Hauptschuldigen, denn sie haben, wenn auch aus verständlichen Gründen, nach dem fatalen Verfassungsgerichtsurteil von 1998 geglaubt, sie müßten nun alle umstellen.

Nun gibt es Stimmen, etwa im "Rheinischen Merkur", die sagen, die FAZ werde das nicht durchhalten.

Ickler: Gerade der Rheinische Merkur ist da eine ganz üble Quelle. Er wird mitherausgegeben von Wolfgang Bergsdorf, der einst im Bundesinnenministerium verantwortlich war für das Durchsetzen der Reform.

Die Rechtschreibreform war doch Angelegenheit der Landes-Kultusminister. Welche Rolle spielte das Bundesinnenministerium?

Ickler: Das Innenministerium war immer zentral beteiligt. Damals unter Manfred Kanther war es sogar die entscheidende Instanz bei der Durchsetzung. Das weiß ich aus verschiedenen Quellen, unter anderem von einem Bundestagsabgeordneten. Die Kultusminister hatten nämlich mehrmals kalte Füße bekommen, weil sie wußten, daß die Rechtschreibreform in ihrem jeweiligen Zustand noch keineswegs unterschriftsreif war. Und in diesen Augenblicken hat eine Beauftragte von Minister Kanther auf der Durchsetzung des Reformplans bestanden. Wolfgang Bergsdorf ist weiterhin Mitherausgeber des Rheinischen Merkur, der – übrigens mit wenig intelligenten Beiträgen – alles niederzumachen versucht, was nicht auf Reformkurs ist. Irgendwann wird wohl herauskommen, was wirklich dahintersteckt.

Sie sagen also, die Politik habe sich nicht gemäß ihres verfassungsmäßigen Auftrages im Sinne einer objektiven, sondern einer subjektiven Entscheidung eingemischt. Warum?

Ickler: Ja, wenn ich das wüßte. Es gibt zweifelsohne einige trübe Vorgänge, in die unbedingt noch Licht gebracht werden muß. Tatsache ist, daß die Kultusminister von ihrem eigenen "Internationalen Arbeitskreis für Orthographie" nicht besonders angetan waren. Das zeigte sich schon darin, daß sie diesem Arbeitskreis, der jahrelang vor sich hinbastelte, eine eigene Arbeitsgruppe zur Seite gestellt hatten. Diese bestand aus Ministerialbeamten, also keineswegs aus Fachleuten für Sprache und Orthographie. Das sind jene Beamten, die dann in den einzelnen Kultusministerien die Minister, ich möchte sagen, beschwatzt haben, dieses Mißprodukt, das dabei herauskam, zu übernehmen. Nominell sind die Minister für ihr Werk verantwortlich, tatsächlich aber sind diese Ministerialräte, deren Namen fast niemand kennt, in gewisser Weise die Hauptverantwortlichen für die Reform, die wir heute haben. Minister kommen und gehen, Ministerialräte bleiben bestehen. Das haben die reformwilligen Deutschdidaktiker sehr früh begriffen und sich die Ministerialräte und (nicht zu vergessen!) –rätinnen in den Kultusministerien geneigt gemacht. Am Ende kam ein hastig, fast panikartig zusammengebasteltes Konglomerat heraus, von dem Augenzeugen und Eingeweihte zu berichten wissen, daß es bei der Verabschiedung der Reform im November 1994 hieß, man müsse jetzt damit zu Ende kommen, um etwas in der Hand zu haben. Und dann wurde das eben abgesegnet und ging seinen Gang. Mehr oder weniger ein Zufallsprodukt, worauf auch die unglaublichen Widersprüche und die schlechte Qualität des Machwerks beruhen. Man meint gerne, die Reform könne doch gar nicht so schlecht sein, schließlich habe sie jahrzehntelange Vorbereitung hinter sich. Das ist eine fatale Fehleinschätzung.

Wieso gelang es in so vielen Jahren nicht wenigstens, eine in sich schlüssige Reform auf die Beine zu stellen?

Ickler: Das ist eine lange Geschichte. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hat 1973 den entscheidenden Kongreß veranstaltet, von dem die meisten Reformideen ausgingen. Der Gedanke war, den Unterschichtkindern das Schreiben zu erleichtern und ihnen damit den höheren Bildungsweg zu eröffnen. Das ist ja soweit auch ganz sympathisch gedacht, solange es nicht ideologisch überhöht wird. Ich stamme selbst aus einfachen Verhältnissen und weiß das durchaus zu schätzen. Das Ganze ist dann aber in die Hände von Leuten geraten, die reformieren wollten um des Reformierens willen oder weil sie sich einen Namen machen wollten. Die Reformer des Internationalen Arbeitskreises hatten hauptsächlich vier Ziele, nämlich die Kleinschreibung der Substantive, die radikale Eindeutschung der Fremdwörter, die Beseitigung der Dehnungszeichen – zum Beispiel "jar" statt "Jahr", "bot" statt "Boot" – und die Einheitsschreibung "das" auch für die Konjunktion. Von diesen vier Zielen konnten sie allerdings keines durchsetzen. Was heute herausgekommen ist, war so nie auf der Tagesordnung gewesen. Die Reformer erkannten dann durchaus selbst die großen Unzulänglichkeiten der zweiten Reform, doch wie bereits gesagt, machte die Politik Druck. Übrigens auch hier maßgeblich durch das Bundesinnenministerium. So mußten die Reformer schließlich trotz der jahrzehntelangen Planung und trotz ihrer Ermahnung, daß wesentliche Veränderungen "unumgänglich notwendig" seien, mitansehen, wie ihr Werk am 1. August 1998 unkorrigiert in Kraft trat.

Warum geradzu dieser Haß gegen die Rechtschreibung?

Ickler: Diese ganzen sozial- und kulturrevolutionären Ideen von damals sind ja inzwischen auch vergessen und vergeben. Damals war ein Furor am Werke, den man sich heute kaum noch vorstellen kann und der alle linguistischen Erkenntnisse beiseite geschoben hat. Den Vertretern der emanzipatorischen Pädagogik galt die herkömmliche Orthographie, als reaktionäres Überbleibsel aus feudalen Zeiten. Rechtschreibung habe hauptsächlich den Zweck, ein ungebildetes Industrieproletariat verfügbar zu halten, mit dem die Arbeitgeber nach Belieben schalten und walten könnten.

Sie bringen dem Gedanken, in die Sprache aus sozialen Gründen einzugreifen, durchaus Sympathie entgegen. Ist aber Sprache nicht ein Kulturgut mit eigenem Wert, der im Grunde jegliche sprachfremde Argumente verbieten sollte, solange sie ihre Grundfunktion erfüllt?

Ickler: Ja, richtig. Ich erkenne auch nur die Motive an, nicht aber den Begründungszusammenhang. Ich glaube auch gar nicht daran, daß eine Reform der Schriftsprache sich in irgendeiner Weise sozial vorteilhaft auswirkt. Diese Leute lassen völlig die Entstehungsgeschichte unserer Rechtschreibung außer acht. Schrift wurde entwickelt, um etwas mitzuteilen, also um möglichst gut lesbar und nicht um leicht schreibbar zu sein. Unsere gewachsene Orthographie ist anerkanntermaßen optimal lesbar, auch wenn sie an den Schreibenden verhältnismäßig hohe Anforderungen stellt. Deutsch, Englisch und Französisch sind die europäischen Sprachen, die eine stark bedeutungsbezogene Rechtschreibung haben. Das heißt nicht, daß sie nur den Laut wiedergeben, sondern gewissermaßen auf einer höheren Stufe operieren, indem sie den Sinn wiedergeben. Zum Beispiel: unsere berühmte Stammschreibung, "kalt" und "kälter", statt "kelter", der Sinnzusammenhang mit dem Grundwort stellt sich gleich fürs Auge mit her.

Verbirgt sich hinter einem solchen Eingriff nicht von vornherein die Mißachtung von kulturell und traditional Gewachsenem, sowie von ästhetischem Empfinden?

Ickler: Durchaus, und die wirkliche Katastrophe liegt darin, daß die umgestellte Presse heute gebrochen hat mit der Literatur. Sehr bezeichnend ist hier der Oberreformer, Gerhard Augst, der wohl zu Recht die Reform als sein Lebenswerk betrachtet. Augst hat immer nur den Schreibanfänger im Auge gehabt, wobei ich ihm durchaus zubillige, daß er, wie gesagt, ein echtes soziales Engagement hatte, wenigstens am Anfang und bevor er vor lauter brennendem Ehrgeiz Maß und Ziel vergaß. Was er überhaupt nie erwähnt, das ist das Lesen oder die gesamte Kulturtradition. Das ist für ihn nichts, ein leeres Blatt. Was ich überhaupt nicht verstehe, ist, warum die Leute, erst am Montag wieder Herr Markwort im Focus immer nur die Schüler und den Nutzen für die Kinder im Auge haben. Alle Schüler hören doch auch einmal auf, Schüler zu sein, und werden Erwachsene und verlangen dann nach der Erwachsenenliteratur bzw. sollen an sie herangeführt werden. Stattdessen wird das Lesen doch kaputt gemacht. Und das Gefühl für Tradition, Kultur und Schönheit ist oft schon vorher zerstört worden. So kommt es dann zu dieser Infantilisierung: Daß Kinder Kinderbücher lesen wie "Harry Potter", das ist ja ganz in Ordnung, meine Töchter sind davon auch ganz begeistert, aber heute werden diese Bestseller auch von Erwachsenen verschlungen.

Warum hat sich eigentlich der Widerstand der Dichter erst so spät geregt?

Ickler: Das neue Regelwerk wurde vorab gar nicht veröffentlicht, und man war auf fein dosierte Mitteilungen des Arbeitskreises angewiesen, so daß die Öffentlichkeit sich lange Zeit gar kein Bild machen konnte. Der Vorwurf, die Öffentlichkeit sei zu spät wach geworden, ist also völlig unberechtigt. Infam ist gar der Hohn, den manche Minister über Dichter und Schriftsteller ausgegossen haben. Das ist zum Glück jetzt vorbei, und die wenigen Minister, die das Debakel bis heute politisch überlebt haben, zittern vor Angst. Um auf das Jahr 1996 zurückzukommen: Ein wirkliches Bild konnte man sich erst nach dem Erscheinen der Wörterbücher von Duden und Bertelsmann machen, also ab Spätsommer 1996, und dann kam ja auch beinahe sofort die Frankfurter Erklärung, und der Wirbel ging los.

Das heißt, die Politiker haben nicht nur leichtfertig, sondern geradezu hinterlistig über das Volk hinwegesetzt?

Ickler: Sie haben zweifellos das Volk hintergangen. Es war durchaus gewollt, daß die Öffentlichkeit erst zu spät wach wird. Denn der vorige Versuch von 1989, das wissen wohl die meisten gar nicht, es ging um die oben genannten vier Punkte, war allein daran gescheitert, daß die FAZ den Inhalt dieser Reform vorzeitig bekanntgab. Diesmal hat es nur deshalb funktioniert, weil die Reform gleich bei ihrem Bekanntwerden in die Schulen gedrückt wurde. Also schon zwei Jahre vor dem offiziellen Inkrafttreten 1998 wurde dafür gesorgt, daß es angeblich kein Zurück mehr gab, "weil die Schüler schon nach den neuen Regeln schreiben", wie es dummdreist hieß.

Wie begegnen Sie diesen Tricks?

Ickler: Entscheidend war über die ganze lange Zeit, daß wir im Bewußtsein der Bevölkerung halten: Die Reform ist umstritten.Der Erfolg war: Die Leute trauen der Reform nicht. Sie warten ab, ob nicht bald eine einschneidende Änderung kommt. Das hat den Duden zu einem nahezu unverkäuflichen Buch gemacht, auch wenn die absoluten Verkaufszahlen natürlich bei einem Rechtschreibwörterbuch immer noch höher sind als bei den meisten anderen Büchern. Diese Reform hat, wie ich schon vor Jahren vorausgesagt habe, den lexikographischen Buchmarkt weitgehend zerrüttet. Alle Wörterbücher und Lexika liegen seit vier Jahren wie Blei in den Regalen der Buchhändler. Das trifft natürlich einen spezialisierten Verlagskonzern wie Brockhaus-Langenscheidt-Meyer-Duden besonders hart; es gibt seit über drei Jahren erhebliche Umsatzeinbußen und auch schon Entlassungen. Davon geht dann auch wieder ein heilsamer Druck auf die Politiker aus, die der Sprachgemeinschaft diesen Unsinn aufgenötigt haben.

 

Dr. Theodor Ickle: geboren 1944 in Krauschwitz/ Oberlausitz. Studium der Germanistik, klassischen Philologie und Indogermanistik. Seit 1987 Professor für germanistische Linguistik/ Deutsch als Fremdsprache an der Universität Erlangen. Theodor Ickler ist einer der führenden Kritiker der Rechtschreibreform.

 

Veröffentlichungen:"Die sogenannte Rechtschreibreform. Ein Schildbürgerstreich.", Leibniz-Verlag (1997);

"Kritischer Kommentar zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung", Verlag Palm & Enke (1997); "Das Rechtschreibwörter-buch. Die bewährte deutsche Rechtschreibung in neuer Darstellung", Leibniz-Verlag (August 2000)

 

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