© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/00 28. Juli / 04. August 2000

 
Zeitschriftenkritik: Hintergrund
Futter von links für Rechte
Werner Olles

Seit Mitte 1988 erscheint viermal jährlich zum Quartalsende im Din-A-5-Format und ca. sechzig Seiten stark das linksradikale Theorieorgan Hintergrund mit dem Untertitel "Marxistische Zeitschrift für Gesellschaftstheorie und Politik". Redakteure und Autoren verstehen sich unter dem Motto "Einschätzungen, Analysen, Informationen" als "kritische MarxistInnen". Als Anhänger des marxistischen Einzelgängers und heimatlosen Linken Leo Kofler (1907-1995) versuchen sie die marxistische Theorie und die sozialistische Bewegung weiterzuentwickeln. Dazu gehört vor allem die Beschäftigung mit den unterschiedlichsten Problemfeldern des 20.Jahrhunderts: Theorie und Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft, Marxistische Theorie und sozialistische Praxis, soziale Bewegungen, Kritische Theorie und nonkonformistische Intellektuelle sowie Ideologiegeschichte und materialistische Ästhetik.

Als solidarisch-linke Kritiker des realen Sozialismus setzen sich die Hintergrund-Redakteure auch mit dem ewigen Dilemma eines "Kommunismus" auseinander, der im Versuch seiner Verwirklichung immer wieder antiemanzipatorisch-herrschaftsförmige Züge annahm. In kritisch-marxistischer Perspektive wird der "triumphierende Kapitalismus" aus der Sicht eines "revolutionären Humanismus" betrachtet. Gleichzeitig lenkt man jedoch auch den Blick auf einen Sozialismus ohne führende marxistisch-leninistische Partei und ohne Planwirtschaft und versucht zu reflektieren, wie die Linke vom "Elend des Stalinismus in die Misere der Sozialdemokratie" gelangen konnte.

In einem Aufsatz über "Die Internationalisierung und die Grenzen des Internationalismus" scheut sich Meinhard Creydt nicht, gewisse "stereotype antideutsche Deutschlandbilder" der Konkret- und Jungle-World-Linken zu problematisieren. Selbst die internationalen Ursprünge der nazistischen Ideologie werden unter die Lupe genommen und die linke "Sonderweg"-Theorie verworfen. Es fehlt auch nicht an deutlichen Worten zur Migration, wobei der Autor darauf hinweist, daß diese neben der sozialen Spaltung, der Lohndrückerei und dem Unterbieten gewerkschaftlich erkämpfter Standards auch für die Herkunftsländer der Zuwanderer abträglich sei. Mit der Einwanderung unterstütze man vor allem Deregulierung und Sozialabbau in Deutschland. Schon Friedrich Engels habe 1845 die das Reproduktionsniveau senkenden Effekte der von Kapital und Staat geförderten Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte am Beispiel der irischen Einwanderung geschildert. Dem linken Exotismus und Solidaritätstourismus, der ein "raumloses Überall" und "soziale Ortlosigkeit" fördere, wird die "mühsam erkämpfte Absicherung des Oberpfälzers Bauarbeiters gegenübergestellt, dessen Angst vor dem sozialen Abstieg sich nicht einfach als ’Wohlstandschauvinismus eines Normalos‘ abtun läßt". In Wirklichkeit gebe es vielfältige Interessenkonflikte zwischen Deutschen und Einwanderern.

Die "Neue Rechte" wird wohl in Zukunft nicht mehr umhinkommen, sich mit diesem "kritischen Marxismus" geistig auseinanderzusetzen. 

Anschrift: "Hintergrund", Zum Rott 24, 49078 Osnabrück. Das Einzelheft kostet 4,50 DM, das Jahresabo
22 DM


 
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