© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/00 28. Juli / 04. August 2000

 
"Solche Leute werden entfernt, relativ schnell"
Brandanschlag auf Asylbewerberheim in Ludwigshafen: Interview mit Sascha Wagner, JN-Landesvorsitzender von Rheinland-Pfalz und seit zehn Jahren Skinhead
Dieter Stein

Herr Wagner Sie sind selbst Skinhead.

Wagner: Ich rechne mich seit über zehn Jahren dieser Szene zu.

Wie wird man Skinhead?

Wagner: Ich bin über die Fußballszene von Allemania Aachen dazu gekommen. Ich suchte damals eine Gruppe, die für mich den Anschein hatte, ein Gegenpart zur Szene von Ausländerbanden und Linksradikalen zu sein. Ich fand es gut, daß es da Leute gab, die sich nicht überfremden lassen wollten.

Waren Sie da schon politisch orientiert oder geschah das so aus dem Bauch heraus?

Wagner: Im Grund war ich schon viel früher politisch orientiert. Durch meine Eltern war ich zunächst sozialdemokratisch orientiert, war aktiv bei den DKP-nahen Naturfreunden, seit ganz frühen Jahren, im Alter von acht bis zehn bei den sozialistischen Falken.

Ihre Eltern sind in der SPD?

Wagner: Aufgrund meines Einflusses sind sie aber aus der SPD ausgetreten, als die Jungsozialisten einmal eine Demonstration vor unserem Haus abgehalten haben.

Hat sich die Skinheadszene im Laufe der letzten zehn Jahre gewandelt?

Wagner: Ja. Viele kommen nur kurzfristig zu dieser Szene, weil sie sehen, daß man da mal die Sau rauslassen kann. Spaß haben - das, was halt immer im Fernsehen gezeigt wird. Gewandelt hat sich die Szene insofern, daß sie in den letzten Jahren doch politischer geworden ist. Durch staatliche Repressionsmaßnahmen gegen Skinheads sind viele erst politisch nachdenklich geworden.

Nach dem Brandanschlag mit drei verletzten Kindern in einem Asylbewerberheim in Ludwigshafen haben vier Jugendliche aus der Skinhead-Szene die Tat gestanden. Wie kommt es dazu, daß immer wieder aus den Reihen national orientierter Skinheads solche Gewalttaten verübt werden?

Wagner: Ich gehe nicht davon aus, daß dies national orientierte Skinheads waren, wenn sie überhaupt Skinheads waren ...

Mal völlig abgesehen von diesem Fall. Es ist in der Vergangenheit genug vorgefallen.

Wagner: Da habe ich eine differenzierte Meinung: Wenn jemand Gewalt ausübt, gehört er nicht zu uns. Wir gebrauchen zur Durchsetzung unserer Ziele keine Gewalt, weil wir im Endeffekt die besseren Argumente haben. Was weiß ein Vierzehnjähriger über politische Zusammenhänge, weshalb hier Millionen Ausländer sind? Der ist damit überfordert.

Meistens kommen nach solchen Anschlägen von rechten Parteien lautstarke Distanzierungen, die Täter werden zu Geisteskranken, Asozialen gestempelt, mit denen man nichts zu tun haben will. Dennoch haben immer wieder solche jugendlichen Täter Biographien mit Mitgliedschaften rechter Parteien. Was ist da falsch gelaufen?

Wagner: Es gibt Statistiken, die nachweisen, daß die wenigsten dieser Gewalttäter mit rechten Parteien zu tun hatten.

Diese Jugendlichen handeln doch aber offenbar in dem Trugschluß, mit ihrer Gewalttat etwas Gutes für ihre Nation zu tun.

Wagner: Ich habe dem Staatschutz einmal angeboten, er sollte uns die Adressen solcher sozial desorientierten Jugendlichen geben, weil wir die besten Sozialarbeiter wären, die die Leute davon abbringen, so etwas zu tun.

Für diese "soziale Desorientierung" trägt alleine die Gesellschaft die Verantwortung und nicht die rechte Szene?

Wagner: Auf jeden Fall nicht der politisch organisierte Bereich wie wir. Die Heißmacher sind oft Spitzel des Verfassungsschutzes und die Medien. Die Medien sorgen im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeihung für das Bild des Skinheads als asozialen Schläger. Von diesem Bild fühlen sich entsprechende Jugendliche angezogen. Die Gesellschaft trägt auch die Verantwortung dafür, daß die Ausländerzahlen nicht gesenkt werden.

Wie wollen Sie denn solche "desorientierten" Jugendlichen zur Vernunft bringen?

Wagner: Viel können wir nicht machen, weil wir zu klein sind, als daß wir uns um solche Leute kümmern könnten. Man müßte sich halt auch mal das ein oder andere Objekt vor Ort zulegen, das man als Jugendzentrum nutzen könnte, wo man vom Volkstanz über Rechtsrock bis hin zu politischen Diskussionen Veranstaltungen durchführen könnte. Mit einigen vernünftigen Sozialarbeitern könnte man hier über einen längeren Zeitraum schon eine Menge machen.

Die Jugendlichen, die hier feige bei Nacht und Nebel ausländische Kinder anzünden, spekulieren offenbar auf klammheimliche Zustimmung aus der nationalen Szene.

Wagner: Man kämpft, wenn man hier etwas ändern will, doch immer wieder gegen Windmühlen. Wir sind für diese Szene auch viel zu klein. In der JN haben wir immer wieder die Diskussion, wie wir die Szene positiv prägen können und nicht umgedreht. Wir haben natürlich auch einige Skinheads in unseren Reihen, aber nicht nur. Wir haben in Rheinland-Pfalz beispielsweise durchgesetzt, daß Bomberjacken verpönt sind. Das ist nur möglich, wenn man mit den Leuten normal redet.

Ist aber die Ästhetisierung der Gewalt nicht fester Bestandteil der Skinheadkultur und -musik?

Wagner: Es ist doch merkwürdig, daß diejenigen, die gewaltverherrlichende Musik verbreiten, nichts mit der Szene zu tun haben und sehr glimpflich davongekommen sind.

Gibt es denn überhaupt eine offensive Diskussion in der Skinheadszene, die die Gewalt problematisiert?

Wagner: Auf jeden Fall! Vorgestern abend, in Kaiserslautern, bei einem JN-Stammtisch, wo eine sehr große JN-Kameradschaft mit relativ vielen Skinheads ist, wurde über einen Fall gesprochen, wo eine Gruppe von Skinheads einen Judenfriedhof geschändet hat. Das ist so weit gegangen, daß die "Alt-Glatzen", die es in Kaiserslautern gibt, diese Leute für ihr Handeln zur Rechenschaft gezogen haben. Die Skinheads, die politisch aktiv sind, werden auch tätig werden gegen die, die solche Taten verüben. Bei dieser Geschichte in Ludwigshafen gab es einiges an Hausdurchsuchungen, Autos von nationalen Aktivisten sind beschädigt worden - diese Täter, die den Anschlag auf das Asylbewerberheim verübt haben, kennt bisher keiner persönlich. Wenn sie bekannt werden, wird es dort auch zu einem Reinigungseffekt kommen.

Hat die NPD ihr Sympathisantenumfeld überhaupt noch unter Kontrolle? Es gibt doch mindestens in der Sympathisantenszene ein unklares Verhältnis zur Gewalt.

Wagner: Es ist die Frage: Wer ist Sympathisant.

Die bei den Aufmärschen, Demonstartionen dabei sind.

Wagner: Die Leute, die im Umfeld der NPD aktiv sind, wissen, daß die NPD Gewalt als politisches Mittel ablehnt. Das wird den Leuten auch immer wieder gesagt. Das Problem in nationalen Kreisen sind natürlich immer die Heißmacher! Es sind einige in hohen Funktionen als Spitzel des Verfassungsschutzes aufgeflogen, die sich besonders negativ hervorgetan haben. Wenn uns etwas bekannt wird, daß jemand andere Leute anstachelt, in irgendeiner Form krumme Aktionen zu machen ... naja, dann werden die Leute halt entfernt, relativ schnell.

 

Sascha Wagner, 28, Stahlbauschlosser, ist seit 1990 Mitglied der NPD, derzeit Landesvorsitzender der NPD-Jugendorganisation "Jungen Nationaldemokraten" in Rheinland-Pfalz und Mitglied im JN-Bundesvorstand.


 
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