© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/00 21. Juli 2000

 
Blasphemie auf der Bühne
Thorsten Thaler

In den alten Hochkulturen be deutete Kunst die Pflege, Veredlung und Vervollkommnung der Gesittung und Lebensführung des Menschen und seiner Natur. Eng verbunden mit Kult- und Glaubensvorstellungen, stand die Kunst bis zum Beginn der abendländischen Neuzeit im Dienste der Religion. Erst mit der zunehmenden Lockerung religiöser Bindungen setzte ein Prozeß der Verselbständigung von Kunst ein. Heute unterliegt die hierzulande grundgesetzlich geschützte Freiheit der Kunst kaum mehr Schranken, wie zum Beispiel zahlreiche Sexdarstellungen und Blutorgien auf deutschsprachigen Bühnen belegen.

In einem Offenen Brief haben sich jetzt 40 Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag und aus dem Europäischen Parlament gegen das Theaterstück "Corpus Christi" ausgesprochen, in dem Christus und seine Jünger als Homosexuelle und das Abendmahl als Sauf- und Freßorgie dargestellt werden. Das "blasphemische Werk" des amerikanischen Autors Terrence McNally übersteige das für Christen zumutbare Maß an Toleranz. In dem Stück werde die Achtung aller Christen "in unflätiger, primitiver Weise mit Füßen getreten, wie es schlimmer nicht sein kann", heißt es in dem Appell. "Wir dürfen uns nicht in den Schmollwinkel zurückziehen und das öffentliche Feld den selbsternannten Verteidigern der künstlerischen Freiheit überlassen", erkären die Parlamentarier. Das In-den-Schmutz-Ziehen anderer – vor allem einer Religion – gehöre nicht zun den Mitteln der Kunst. Die im Grundgesetz verankerten Grundrechte auf freie Meinungsäußerung und die Freiheit der Kunst seien kein Freibrief für jeden einzelnen, nach seiner ihm eigenen unmoralischen Vorstellungen ungehemmt davon Gebrauch zu machen. "Die Freiheit des Einzelnen hört dort auf, wo der Nächste in seiner Menschenwürde verletzt wird."

Der"Offene Brief richtet sich u.a. an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Karl Lehmann, an den Vorsitzenden der bayerischen Bischofskonferenz, Friedrich Kardinal Wetter, den Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Hans Joachim Meyer, den Vorsitzenden der EKD, Manfred Kock sowie an die Ministerpräsidenten von Bayern, Thüringen, Hessen und Baden-Württemberg.

Initiiert wurde das Schreiben von dem CSU-Bundestagsabgeordneten Ernst Hinsken. Dieser kritisierte, daß das Stück in mit öffentlichen Geldern finanzierten Häusern gezeigt werde. Zu den Unterzeichnern gehören neben anderen die ehemaligen Bundesminister Horst Seehofer, Carl-Dieter Spranger und Wolfgang Bötsch.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen