© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/00 14. Juli 2000

 
Der riskante Dialog mit dem Islam
von Hans-Peter Raddatz

In der systematischen Ablehnung freiheitlicher Denkkategorien und der historisch zementierten Funktionsklammer von Glauben und Staat bildet der Islam
eine statisch-ideologische Konsensgesellschaft in diametralem Gegensatz zum dynamischen Konzept des europäischen Abendlandes, das das Angebot der Renaissance über Reformation, Aufklärung und Fortschrittsdenken in die modernen Verfassungsdemokratien mit Individualrechten sowie laufender Mehrheitsbildung und Konfliktlösung ummünzte. Die Staats- und Glaubensordnungen des Islam und des Westens stehen sich in einer so konsequenten Gegensätzlichkeit gegenüber, daß von einer systemhaften Antithese auszugehen ist, d. h. von einer komplementären Wechselwirkung, im Rahmen derer die Schwäche der einen Komponente die unmittelbare Stärkung der anderen auslöst und im direkten Konflikt das jeweilige Überleben nur durch die weitgehende Verdrängung der Antikomponente sichergestellt werden kann.

Insofern haben Demokratie-, Rechts- und Glaubensschwund in Westeuropa und besonders in Deutschland die massive islamische Migrationsbewegung und die Herausbildung konkreter Parallelstrukturen nicht nur begünstigt, sondern in erheblichem Umfang ursächlich hervorgerufen, indem vitale Grundlagen des Abendlandes wie pragmatisches Denken und christliches Gewissen zugunsten eines dumpfen Multikulturalismus in den Hintergrund getreten sind, der alles Eigene stets verneint und alles Fremde jeder Kritik entzieht. In der deutschen Variante verkürzt sich dieser Multikulturalismus auf geschichts- und damit sinnlose Leerformeln, die eigene Negativaspekte zu wichtigen und die fremden zu nichtigen Sachverhalten verabsolutieren. Die Beibehaltung einer derartig volksfernen Politik wird den islampositiven Trend weiter unterstützen, der bis zum Jahre 2005 mit rund sieben Millionen Muslimen in Deutschland (UNO-Zahlen) die für den Gesamtkonsens tragbare Grenze überschritten haben wird.

Zur Standortbestimmung der vorliegenden Themenstellung ist es immer wieder sinnvoll, sich zu vergegenwärtigen, daß die Strukturbetrachtung eines gesellschaftlichen Prozesses nur seinen funktional bestimmenden Kern, d. h. das systemische Zusammenwirken seiner Individuen und nicht die Individuen selbst als irrelevante Einzelaspekte des kollektiven Prozesses erfassen kann. Bezogen auf die Untersuchung der ideologischen Islamstrukturen bedeutet dies die Konzentration auf den orthodoxen Hauptstrom des Islam, wie er sich in allen sunnitischen Ländern als weitaus überwiegende Majorität entwickelt und etabliert hat und deshalb nicht nur dort die politische Gottesordnung als Herrschaftskonzept propagiert, sondern diese auch als Minderheit in der Diaspora gegen die jeweilige lokale politische Ordnung durchzusetzen sucht.

Dabei ist es nicht nur der Schutz der Religionsfreiheit, unter dem politische Langfristziele verfolgt werden; es sind auch die ganzheitliche Gesellschaftsstruktur und das Fehlen einschlägiger Institutionen, die eine Wahrnehmung der Interessen auf den verschiedensten Ebenen mit der jeweiligen Lage angepaßtem Nachdruck erleichtern. Dies bedeutet, daß vielerorts kleinere Gemeinden zunächst voneinander isoliert Fuß fassen, sich durch zahlreiche Zugeständnisse der örtlichen Behörden graduell ausbreiten und schließlich zu der großen Zielgemeinschaft vernetzen, die die Ausgangsbasis für eine konkrete Konfliktsituation im Bürgerkriegsmaßstab bildet. Nur durch das harmonische Zusammenwirken der islamischen Expansionsstrategie mit dem rapiden Verfall des Verfassungsverständnisses, der nationalen Identität und des Glaubens in weiten Teilen der Kirchen konnte es möglich werden, daß eine objektiv verfassungsfeindliche Gruppierung wie der orthodoxe Islam sich irreversibel auf deutschem Staatsgebiet etabliert hat.

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Der orthodoxe Hauptstrom des Islam propagiert die politische Gottesordnung als Herrschaftskonzept und sucht diese auch als Minderheit in der Diaspora gegen die lokale politische Ordnung durchzusetzen.

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Die Strategie, die der Islam im Rahmen seiner westeuropäischen Expansion generell verfolgt, vollzieht sich in der Regel auf drei miteinander korrelierten Ebenen, die sich zusammensetzen aus a) der Glaubenseinrichtung der sogenannten taqiya, b) dem sogenannen Machthaberprivileg und c) der Einrichtung von Kampfkadern. Bei der taqiya (arab.: Vorsicht) handelt es sich um eine zum islamischen Glauben gehörende Verhaltensregel, die es dem Muslim zwingend vorschreibt, seinen Glauben zu verleugnen bzw. weitgehende Konzilianz vorzutäuschen, wenn es seiner persönlichen Situation oder dem Islam generell dient. Diese Anweisung kommt häufig in der Diaspora zur Anwendung, wo sie besonders geeignet ist, die sich noch in der Mehrheit befindenden Ungläubigen über die langfristigen Absichten im unklaren zu lassen.

Auf vergleichbarer, allerdings kollektiver Basis ermöglicht das Machthaberprivileg der Muslimgemeinschaft, das politische System des langfristig zu übernehmenden Gastlandes vorübergehend anzuerkennen bzw. zu dulden, solange die lokalen, ungläubigen Machthaber die Interessen des Islam erkennbar fördern. Diese Bedingung wird in Deutschland bislang weitgehend erfüllt, indem die politisch-kirchlichen Exponenten durch einen "Dialog" um jeden Preis auf die Durchsetzung von Anpassungsleistungen verzichten, die der Islam hinsichtlich seiner Defizite im Bereich der freien Glaubensgestaltung, der Stellung der Frau und vor allem des politischen Anspruchs unausweichlich erfüllen muß, wenn ein großrahmiger Konflikt vermieden werden soll. Diese Integration ist dem Islam durch laufende Zugeständnisse seitens der deutschen Obrigkeit bislang erspart geblieben, so daß sie bis auf Widerruf auch als Obrigkeit der Muslimengemeinschaft hingenommen werden kann.

Für den Fall dagegen, daß das geschmeidige Zusammenwirken der individuellen Glaubensverleugnung mit der Nutzung des kollektiven Machthaberprivilegs einen wachsenen gesellschaftlichen Widerstand im Gastland nicht verhindern und somit eine geregelte Islamexpansion auf Dauer nicht gewährleisten kann, ist das Korrekturinstrument des Kampfkaders vorgesehen, der in flexibel dosiertem Einsatz das Islamkonzept mit Bedrohung und aktiver Gewalt durchzusetzen hat. In Deutschland ist in diesem Zusammenhang die sogenannte Milli Görüsh bekannt geworden, eine paramilitärisch straff durchorganisierte Truppe türkischer Glaubenskämpfer, die unter Leitung von derzeit Mehmet Erbakan sowohl den Interessen des Islam in Deutschland als auch denjenigen der Rifah-Partei in der Türkei zu gegebener Zeit in angemessener Form Nachdruck verleihen soll. Erbakan steht in der klassischen taqiya-Tradition seiner Ideologie, wenn er vielerorts über den "Islam als Weg zum Frieden" referiert. In Wahrheit läßt dies eher die Art von Frieden vermuten , die durch gewaltsame Unterdrückung von Widerständen erzeugt wird und den deutschen Verfassungsschutz dazu bewogen hat, Milli Görüsh als potentielle Staatsgefahr unter Beobachtung zu stellen.

Immerhin hat sich auch der Verfassungsschutz noch nicht von der gängigen Sichtweise lösen können, nach der es einen unideologischen, auf eine individuelle Glaubensausübung gerichteten Islam geben soll, der völlig losgelöst neben seinem unartigen Terror-Abkömmling existiert und keinesfalls als Reservoir für aggressive, staatsfeindliche Tendenzen in Frage kommt.

Der Islam in Deutschland kann auf einen offenbar unerschöpflichen Vertrauensvorschuß zurückgreifen, den die maßgebenden Organe der Politik, Kirchen, Medien und nicht zuletzt auch der Justiz trotz erdrückender Beweislage zum Gegenteil und deutlich zunehmender Widerstände aus der Bevölkerung einzuräumen weiterhin bereit sind. Wenn zum Beispiel die Orientalistin Annemarie Schimmel, die auf eine erfolgreiche Nazi-Vergangenheit zurückblicken kann und seit Jahrzehnten mit den Terror-Regimen in Iran und Pakistan sympathisiert, 1995 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt und von Bundespräsident Herzog als persönliche Islam-Beraterin engagiert wurde, oder wenn König Jusayn von Jordanien den Deutschen Medienpreis verliehen bekam, kurz nachdem er 15 der 21 Zeitungen seines Landes als zu kritisch verboten hatte, oder wenn ein denkbares Verwaltungsgericht deutsche Namen für türkische Kinder verbietet, dann bedarf es keiner außergewöhnlichen Vorstellungskraft, die islamischen Expansionschancen in Deutschland zu beurteilen.

Es sind jedoch nicht nur hohe Repräsentanten des öffentlichen Lebens, die in der Ausschaltung des Demokratiebewußtseins und des Bevölkerungswillens eine wichtige Pilotfunktion für die vorhersagbare Erfolgsgeschichte des Islam in Deutschland ausüben. Es sind auch die zahllosen Entscheidungsträger vor Ort in den Gemeinden, die vor dem Pauschalargument der Glaubensfreiheit des Einzelnen unter Beschwörung der Dialog- und Toleranzillusionen zurückweichen und einer wachsenden Muslimgemeinde und damit der expansiven Islamideologie zum Durchbruch verhelfen. Allgemeine Unkenntnis des politischen Islam und einseitiges Toleranzverständnis schlagen sich in der umfassenden Erfüllung islamischer Wünsche nieder, vor allem in der Genehmigung von Moscheen und diffusen "Kulturvereinen", deren Betrieb immer auch politisch Aspekte, vertreten durch unklar legitimierte Repräsentanten, enthält.

Die fortschreitende Erosion des Staats- und Gesellschaftsverständnisses bei schwindender Berücksichtigung des Mehrheitswillens findet ihren Ausdruck in dem logisch kaum nachvollziehbaren Phänomen des deutschen Multikulturalismus, der auf einer universellen Leerbasis ohne Identität und Perspektive alles Eigene stets verneint und in komplementärem Reflex alles Fremde, so auch das totalitäre Fremde, kritiklos bejaht. Die ideologische Struktur dieser spezifisch deutschen Tendenz hat die zunehmende Öffnung der Gesellschaft für totalitäre Konzepte begünstigt, die nicht nur traditionelle Extremränder wie PDS und DVU, sondern in Zukunft, wie wir bereits heute erkennen können, auch neue Alternativen wie den Islam einschließen werden. Dynamik und Konsequenz der Multikultur-Ideologie lassen sich auf verschiedenen Ebenen in erstaunlicher Klarheit verfolgen. Ob im Verfassungsrahmen mit Soldaten-, Fahnen- und Kruzifixurteil oder auf politischer Ebene mit einschneidendem Ressourcen- und Souveränitätsverzicht in den Bereichen der Ausländer- und Europapolitik, in jedem Falle tritt die Schwächung der deutschen Staatsidee mit einem so deutlichen Systemcharakter zutage, daß dem Gegenkonzept des Islam eine historische Expansionschance bescheinigt werden muß.

Bereits heute wird die Aushöhlung der Verfassung neben dem Mißbrauch der Religionsfreiheit besonders klar in Form der fortgesetzten, skandalösen Mißachtung der Frauenrechte praktiziert. Auf deutschem Boden wird mit dem Islam eine strukturell und aktuell gegen die Verfassung gerichtete Gemeinschaft zugelassen bzw. aktiv gefördert, der die gewohnheitsmäßige Unterdrückung und Herabwürdigung der Frau gemäß der orthodoxen Lehre als gesellschaftliche Grundlage dient. Ebenso erfolgt eine bevorzugte Behandlung der in diesem Zuammenhang auftretenden, männlichen Straftäter in den einschlägigen Bereichen Vergewaltigung, Körperverletzung, Totschlag und Mord, ohne daß bisher auch nur der Versuch gemacht wurde, eine überfällige Bestandsaufnahme und Würdigung der unhaltbaren Rechtslage einzuleiten.

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Die fortschreitende Erosion des Staats- und Gesellschaftsverständnisses bei schwindender Berücksichtigung des Mehrheitswillens findet ihren Ausdruck in dem Phänomen des deutschen Multikulturalismus.

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Die schleichende Duldung gespaltenen bzw. abwesenden Rechts hat in ganz erheblichem Maße die Herausbildung islamischer Ghettos, vornehmlich in den Großstädten, zunehmend aber auch in ländlichen Gebieten, begünstigt, die sich zu rechtsfreien Räumen entwickeln und die Saugnäpfe des entstehenden islamischen Parallelstaates darstellen. Dieser wird dabei in seinem weiteren Wachstum noch nicht einmal auf den fortgesetzten Zuzug angewiesen sein; allein das schiere Wachstum aus der eigenen Reproduktionsrate heraus, die nach UNO-Angaben um mindestens 2.500 Prozent über derjenigen der deutschen Bevölkerung liegt und durch Frauenunterdrückung und den islamtypischen, exorbitanten Analphabetismus (50 Prozent im Weltmaßstab) traditionell Stärkung erhält, wird der Ghettoisierung und dem islamischen Forderungsverhalten wachsende Dynamik verleihen. Viertel wie Kreuzberg in Berlin oder Laar in Duisburg sowie viele weitere Bezirke in vergleichbarem Stadium haben sich bereits der herkömmlichen Kontrolle durch Verwaltung und Polizei entzogen oder befinden sich auf einem irreversiblen Weg dorthin.

Dennoch ist zunächst nicht mit einer gezielten Gegensteuerung zu rechnen, da wie alle Ideologien auch die deutsche Multikultur pragmatisches, sachbezogenes Denken ablehnt. Udo Steinbach, der Leiter des bundfinanzierten Deutschen Orient-Instituts, verkörpert dieses Dilemma in höchst eindrucksvoller Weise. Einerseits gesteht er dem Islam gespaltene Menschenrechte zu, um ihm die Realisierung des orthodoxen Gewaltgebots zu ermöglichen bzw. die Integration in der westlichen Demokratie zu ersparen, andererseits propagiert er den sogenannten Euro-Islam, der auf den Gottesstaat, mithin integralen Glaubensteil, zwecks Anpassung in Europa verzichten soll. Wer – immerhin im Auftrage der Bundesregierung – zu solch grundlegender Begriffsverwirrung beiträgt, hat die konkrete Wirklichkeit des real existierenden Islam in Deutschland und Europa nicht erfaßt. Noch mehr trifft dies auf die evangelische Kirche Hessens zu, die nicht nur die Forderung formuliert, daß "alle Deutschen den Islam wollen müssen", sondern allen Ernstes die Vorstellung von einem deutschen Muslim entwickelt, einem Muslim also, der seine klar definierte Identität als Angehöriger einer elitären Gemeinschaft eintauschen soll gegen eine Identität, die im Begriffe steht, sich nachhaltig von Staats- und Glaubenstraditionen zu trennen. Die doppelte Staatsbürgerschaft ist die absurde Institution dieses gespaltenen Identitätsbewußtseins.

Die vorangegangenen Erläuterungen haben gezeigt, daß es der Islam nicht bei den externen Makromustern der Polarisierung und Expansion beläßt, sondern sie durch interne Mikromuster wie vor allem das Instrument der Täuschung (taqiya) stabilisiert. Wenn der Islam also die reine Glaubensausübung im Sinne der deutschen Verfassung zusichert, so bedeutet dies auf kollektiver Ebene durch angeblichen Verzicht auf den Gottesstaat eine ebenso effiziente Glaubensverleugnung wie sie der individuelle Muslim praktiziert, wenn er sich im Umgang mit Ungläubigen westlich liberal gibt oder ganz einfach seinen Islam abstreitet, solange es ihm in der jeweils gegebenen Situation opportun erscheint, ohne das Fernziel des dominanten Islam aus den Augen zu verlieren.

Umgekehrt nützen dem demokratischen Verfassungsstaat die wenigen Muslime, die ihn aus Überzeugung vertreten wollen, nahezu gar nichts, da sie in der islamischen Orthodoxie eine kleine und zudem abnehmende Minderheit bilden. Bei wachsender Ideologisierung sowohl des Islam als auch der einheimischen Multikultur werden gerade diese Menschen ins doppelte Abseits geraten, da sie weder als liberale Muslime noch als Demokraten erwünscht sind.

Insofern ist auch aus dieser Sicht Steinbachs Konzept vom "Euro-Islam" schon im Ansatz verfehlt. Viel eher ist zu erwarten, daß beide Systeme unter graduellem Verdrängen demokratischer Strukturen in immer deutlicher werdende Konkurrenz um die Macht treten werden, wobei allerdings abzuwarten bleibt, inwieweit diese Demokratieverdrängung von der deutschen Mehrheit zugelassen wird.

 

Dr. Hans-Peter Raddatz, 58, promovierter Orientalist und Volkswirt, freie Publikations- und Vortragstätigkeit im Bereich der Islam-, Kirchen- und Gesellschaftsanalyse. Er ist Mitautor der "Enzyklopädie des Islam". Im Herbst erscheint bei Herbig/Langen Müller, München, sein Buch "Die Macht des Islam in der christlichen Glaubenskrise".


 
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