© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/00 14. Juli 2000

 
Quoten für Rassen, Frauen und Behinderte
Südafrika: Die Arbeitsmarktpolitik des ANC spaltet die Gesellschaft, doch Mißverständnisse beherrschen die Diskussion
Frank De Beer

Das ist die Umkehrung der Apartheid, die ratenweise Vertreibung aller Nichtschwarzen aus Südafrika," schreibt ein Leser an die angesehene südafrikanischen Wochenzeitung Mail & Guardian. "Wir werden alle unsere Jobs verlieren, und unsere Kinder werden nie Arbeit finden", so eine weitverbreitete Angst weißer Südafrikaner, nachdem die Regierung des African National Congress (ANC) ihre Pläne zur Beseitigung der historisch bedingten Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt verkündet hat.

Herausgekommen ist der "Employment Equity Act" zur "Gewährung von Gleichheit am Arbeitsplatz": eines der meistdiskutierten Programme der südafrikanischen Regierung nach dem Ende der Apartheid. Kernpunkt ist die "Affirmative Action" (AA):Bei gleicher Qualifikation soll bei der Stellenvergabe ein bis dato "benachteiligter" Kandidat bevorzugt werden – und das heißt: In erster Linie; ein schwarzer Kandidat.

Zu Zeiten der Apartheid mußten Schwarze in Minen unter Tage arbeiten, beim Straßenbau oder in der Landwirtschaft schwitzen – das war die von oben vorgegebene Domäne des schwarzen Mannes. Auch Schul- und Ausbildung wurden mutwillig beschnitten. Durch sogenannte Bantu Education sollte das Fußvolk gar nicht erst in die Lage kommen, den "weißen Bossen" gefährlich zu werden. Jetzt aber sehen sich die ehemaligen Lehrmeister, jetzt sieht sich der weiße Mann als Verlierer.

"Sicher, es mußte etwas geschehen," gibt Renier Rautenbach zu, "die Situation war nicht haltbar. Aber man kann nicht innerhalb von fünf Jahren die Fehler jahrzehntelanger Apartheid wiedergutmachen". Renier ist 21 und Afrikaaner – Nachfahre jener zumeist holländischen und hugenottischen Siedler, die Ende des 17. Jahrhunderts am Kap der Guten Hoffnung Fuß faßten. "Die gegenwärtigen Chancen für mich, als weißer, junger Südafrikaner in diesem Land einen Job zu finden, sind mehr als gering. Dieses Gesetz führt dazu, daß manche Firmen Jobs mit nicht qualifizierten Arbeitskräften besetzen, bloß weil sie die Quote halten wollen und keine qualifizierten Schwarzen finden."

Nur eines von vielen Mißverständnissen. Denn im Falle Südafrikas bezieht sich der von AA begünstigte Kreis auf alle nichtweißen Südafrikaner sowie auf Frauen und Behinderte – aller Rassen. Das Gesetz sieht vor, daß ausreichend qualifizierte Menschen dieser vormals diskriminierten Gruppen dieselben beruflichen Chancen haben und auf allen beruflichen Ebenen und Sektoren gleichermaßen vertreten sein sollen wie zu Apartheidzeiten weiße Männer.

Die Begünstigten müssen entweder die nötigen schriftlichen Qualifikationen vorweisen oder – unter Berücksichtigung der Bantu Education – zumindest ausreichend Erfahrung haben und in der Lage sein, das verlangte Wissen in einer realistischen Zeitspanne zu erlangen. Jede Firma mit mehr als 50 Mitarbeitern oder einem bestimmten sektorspezifischen Umsatz muß einen sogenannten "Employment Equity Plan aufstellen. "Die Firmen sollen sich anhand ihrer eigenen Fähigkeiten und Bedürfnisse selbst Ziele setzen, wie viele Schwarze, Frauen oder Behinderte wann beschäftigt werden sollen", erklärt Frans Moatshe vom Arbeitsministerium. Es sollen Zahlen, nicht Quoten, wie oft fälschlich angenommen, formuliert sowie spezielle Bildungsprogramme ausgearbeitet und in einem Formular dem Ministerium übermittelt werden, das die Angaben prüft und deren Umsetzung kontrolliert.

Unterstützt wird die AA vom "Skills Development Act". Denn genügend Arbeitskräfte sind da, nur mangelt es an qualifiziertem Personal. "Mittlerweile ist es leicht, qualifizierte Juniorkräfte frisch von der Uni zu bekommen, sehr viel schwieriger ist es, erfahrene Leute zu finden", erklärt Brain Gordon vom Telefonkonzern BSW. "Das Problem ist die Übergangszeit. Wir sind uns bewußt, daß wir viel Zeit und Energie in zusätzliche Ausbildung stecken müssen."

Denn unfähiges Personal nur aus Angst vor dem Gesetz in Führungspositionen zu stecken, schadet nicht nur dem Umsatz und Image der Firma, sondern auch dem Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl des Beschäftigten. Themba Sono, Politik-Professor an der Universität Südafrika (UNISA): "Ich möchte angestellt werden für das, was ich kann und wer ich bin. Wenn ich mir vorstellen würde, einen typischen AA-Job zu haben, egal welche Position und für wie viel Geld, könnte ich niemandem mehr in die Augen schauen. Man muß darauf achten, daß die Angestellten zumindest nach ein paar Monaten in der Lage sein können, ihre Arbeit selbst kompetent zu verrichten."

"Ideal wäre wahrscheinlich, wenn die Affirmative Action zeitlich begrenzt wäre, sagen wir mal auf zehn oder 15 Jahre, bis sich die gesellschaftlichen Strukturen normalisiert haben," so Brian Gordon. "Und die Wettbewerbsfähigkeit mancher Firmen wird darunter leiden, aber entscheidend sind die positiven Folgen: Mit dem Einkommen können Eltern ihre Kinder auf gute Schulen schicken, und wenn diese dann fertig sind, dürfte das meiste ausgestanden sein."

Am ersten Tag ertrank das Arbeitsministerium in ausgefüllten Employment-Equity-Bögen. "Wir kennen kein Unternehmen, das nicht mitarbeitet," so Moatshe. Verlierer gibt es trotzdem, das gibt auch Brian Gordon zu: "Aber das sind nicht, wie viele meinen, die weißen Männer mit guten Qualifikationen, es sind die, die in der Vergangenheit ausschließlich ihrer Hautfarbe wegen Arbeitsstellen bekommen haben. Für die wird es in Zukunft nicht mehr so leicht sein, Arbeitsplätze zu bekommen ..."


 
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