© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/00 14. Juli 2000

 
Eine Partei demontiert sich selbst
Berliner SPD: Parteichef Peter Strieder muß um seine Wiederwahl bangen
Ronald Gläser

Die einstmals so mächtigen Hauptstadtgenossen kommt nicht zur Ruhe. Seit zehn Jahren leidet die Berliner SPD unter dem miserablen Erscheinungsbild des rotgrünen Chaossenats unter Walter Momper. Auch der interne Streit des Landesverbandes nimmt kein Ende. Auf dem am 15. Juli stattfindenden Landesparteitag geht der amtierende Vorsitzende Peter Strieder einer Niederlage entgegen.

Der 48jährige Jurist aus Bayern hatte nach der spektakulären Nominierung Walter Mompers als Spitzenkandidat der Berliner SPD im Januar 1999 die Parteiführung übernommen. Für die Wahlniederlage im vergangenen Herbst wurde er mitverantwortlich gemacht. Trotzdem wurde er im neuen Senat mit einem Superressort ausgestattet (Bau, Verkehr, Wohnen und Umweltschutz). Jetzt droht die Basis, Rache für sein arrogantes Auftreten und seine machtpolitischen Allüren zu nehmen.

Zunächst warf der Parteilinke Stefan Grönebaum seinen Hut in den Ring, indem er seine Kandidatur erklärte. Wider Erwarten fügte er dem amtierenden Landesvorsitzenden drei schwere Niederlagen bei Probeabstimmungen in Bezirksverbänden zu.

Nach diesen Achtungserfolgen eines politischen Niemands erklärte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Hermann Borghorst, seine Kandidatur. Borghorst will die Glaubwürdigkeitslücke der Berliner Genossen durch einen strategischen Erneuerungsplan überwinden. In einem Positionspapier wandte sich der Parteirechte gegen eine "Einheit der Linken" mit der PDS und sprach sich für den Wiederaufbau des Stadtschlosses aus. Borghorst zum Thema Stadtentwicklung: "Wir wollen keine sozialen und ethnischen Ghettos, keine ‚Chinatowns‘." Der Gewerkschaftsmann weiß, wovon er spricht, denn in seinem Heimatbezirk Neukölln wohnen bald mehr Ausländer als Deutsche. Die Zahl der Wahlkreise geht dort von Wahlperiode zu Wahlperiode zurück.

Immer mehr Vertraute fielen daraufhin von Strieder ab. So scheint der Schulsenator Klaus Böger, dessen Pläne, Bürgermeister zu werden, vor anderthalb Jahren von Momper durchkreuzt wurden, eine alte Rechnung begleichen zu wollen. Böger sprach sich für Borghorst aus, während Momper zu Strieder steht. Aber neben den bürgerlichen Westbezirken haben sich mittlerweile auch alle Ostbezirke für Borghorst ausgesprochen. Weitere Bezirksfürsten wechselten daraufhin das Lager, so daß Strieder vier Wochen vor dem Parteitag auf verlorenem Posten stand.

Aber der Parteichef, der von gestandenen Genossen als "aalglatter Karrierist" eingeordnet wird, gab nicht auf. Auf der Versammlung des wichtigen Bezirks Wilmersdorf/Charlottenburg gelang es ihm, seine beiden Herausforderer zu deplazieren. Dadurch ist der Ausgang des Rennens wieder offen. Sogleich setzten Spekulationen über einen weiteren Herausforderer ein. Der Fraktionschef Klaus Wowereit solle die Partei führen, forderte der Ex-Bürgermeister Klaus Schütz. Der 46jährige gilt auch als potentieller Spitzenkandidat der SPD im Jahr 2004. Doch bis dahin hat die Berliner SPD noch genug Zeit, sich selbst weiter zu demontieren und weitere Vorsitzende aus dem Amt zu jagen.


 
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