© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/00 14. Juli 2000

 
Schützt die Familie!
Die Einführung einer aktiven Bevölkerungspolitik in Deutschland ist überfällig
Paul Rosen

Bayern führt die "Bluecard" für ausländische Fachkräfte ein. Die rot-grüne Koalition legt einen Gesetzentwurf vor, der homosexuelle Gemeinschaften der Ehe rechtlich fast völlig gleichstellt. Die Zahl der Geburten sank im letzten Jahr erneut und betrug 771.000, davon rund 95.000 Ausländer. Aus diesen drei Nachrichten ergibt sich ein Gesamtbild: Deutschland soll abgewickelt werden; der Staat der Deutschen soll Geschichte werden, weil die politische Klasse zu schwach ist, nationale Interessen zu vertreten.

Nicht nur Altphilosophen sehen Parallelen zur Schlußphase des Römischen Reiches, als die Oberschicht nur noch ihren teilweise seltsamen Vergnügungen nachging, eine den Staat tragende Bürgerschicht nicht mehr vorhanden war, Sklaven die Drecksarbeit machen mußten und die eigenen Truppen nur noch aus Ausländern bestanden. Und in der Bundeswehr ist es inzwischen so, daß Geheimvorschriften der Bonner Hardthöhe, über die Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) nur in kleinem Kreis berichtet, die gleichmäßige Verteilung der Aussiedler-Wehrdienstleistenden über alle Einheiten vorsehen, damit es nicht zur "Russifizierung" ganzer Einheiten kommt und damit nicht ganze Verbände umkippen, weil Mannschaften in anderer Sprache als Offiziere kommunizieren.

Das Risiko, daß Bundeswehr-Einheiten sich rote Sterne anheften und wegen verweigerter Solderhöhung plündernd durch die Berliner Friedrichstraße ziehen, dürfte gegen Null tendieren. Aber andere Gefahren sind ungleich größer. Seit dem Beginn des Geburtenrückgangs in den sechziger Jahren, verursacht angeblich durch die Anti-Baby-Pille, hat sich die Politik keine Gedanken über die Ursachen gemacht. Man hat über Konsequenzen diskutiert, aber nicht einmal vollständig, weil eine auf Geburtenförderung ausgerichtete Politik ein politisches Tabu brechen würde – wegen der Parallelen zur Hitlerschen "Mutterkreuz"-Politik. Also erhöhte Kanzler Helmut Kohl alle Jahre wieder das Kindergeld, Rita Süssmuth versuchte den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz einzuführen, und Norbert Blüm versprach den Müttern fürs Kindererziehen eine höhere Rente im Alter – wohl wissend, daß die Ansprüche nie werden bezahlt werden können, weil die Ursachen der Misere aller Sozialkassen nicht beseitigt werden: Es gibt zu wenig Kinder.

Wenn man nur einmal die Relation zwischen Geburtenzahlen und Sterbeziffern auf zehn Jahre unverändert weiterschreibt, dann ergibt sich aus dem Defizit des letzten Jahres ein Bevölkerungsverlust von 750.000 Personen. Andere Faktoren kommen hinzu: Das Durchschnittsalter der Bevölkerung steigt, nicht nur, weil weniger Kinder geboren werden, sondern auch durch den medizinischen Fortschritt und gesündere Lebensweise.

Diese Lücke will nicht nur die rot-grüne Koalition durch die "Greencard" für ausländische Computerexperten und eine lockere Einwanderungspolitik schließen, sondern auch die CSU denkt jetzt in diese Richtung. Auf Basis eines von Innenminister Günther Beckstein vorgelegten Papiers beschloß die bayerische Staatsregierung die Einführung einer "Bluecard" für Fachkräfte aus dem Ausland, für die hierzulande Bedarf besteht. Fast vergessen erscheint die hilflose Formulierung des nordrhein-westfälischen Spitzenkandidaten Jürgen Rüttgers, der "Kinder statt Inder" gerufen hat, aber nicht richtig ausdrücken konnte, was er meinte: Die Kinder müssen nicht nur besser ausgebildet werden, sondern es muß auch wieder mehr Geburten geben, um die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes befriedigen zu können.

Nun ist es üblich geworden, mit lässiger Handbewegung darauf zu verweisen, die Väter und Mütter des Grundgesetzes hätten aufgrund einer sentimentalen Laune Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates gestellt. Das war es mitnichten. Der Bonner Verfassungskonvent hat nur aufgeschrieben, was in Deutschland und im gesamten christlich geprägten Abendland Tradition hat: Eine Familie ist im Wirtschaftsleben im Regelfall nicht so leistungsfähig wie Alleinstehende, weil sie sich mit der Aufzucht von Kindern zu beschäftigen hat. Daher rühren alle Vergünstigungen für Familien, angefangen von der steuerlichen Erleichterung bis zur kostenlosen Mitversicherung in der gesetzlichen Krankenkasse.

Die Zerschlagung der Institution Ehe durch die 68er hat nicht funktioniert – man denke nur an das von Rot-Grün aufgegebene Vorhaben der Abschaffung des steuerlichen Splittings für Verheiratete. Nun wird es andersrum versucht. Die faktische Gleichstellung schwuler und anderer Gemeinschaften mit der Ehe führt zur Entwertung derselben. Damit wird – nach dem 68er-Motto "Zerschlagt ihre Insitution" – endlich jene Bastion geschleift, die "als einzige die Generationenfolge sichern, für die Sozialstation des Menschen in den ersten Lebensjahren sorgen und als Institution die privatesten Bereiche des Menschen vor dem Zugriff von außen schützen" kann (der CSU-Rechtsexperte Norbert Geis).

Die nicht mehr garantierte Sicherung der Generationenfolge glaubt man durch verstärkte Einwanderung wieder wettmachen zu können, die jetzt als "Fachkräftebedarf" kaschiert selbst von der CSU als Beitrag zur Lösung demographischer Probleme beschrieben wird. Die "Eliten" der Republik, die Bosse und Vermögensbesitzer wollen es so, weil sie nur mit preiswerten Arbeitskräften ihren Profit steigern und im Gegenzug bei Ausgaben für Kindergeld und Bildung sparen.

Der Trend ist nicht neu. Diese Kräfte waren schon während der 16 Kohl-Jahre am Werke und gewinnen jetzt die Oberhand. Nur selten werden noch die Ursachen genannt: Der niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel verplapperte sich einmal auf einem SPD-Kongreß und sprach von einer Verschiebung der Armut, die in den letzten drei Jahrzehnten von den Rentnern zu den jungen Familien gewandert sei. Die Familien, die das Niveau der Wohlstandsgesellschaft nicht mehr hätten halten können, hätten auf ihre Weise gespart: durch weniger Geburten. Gabriel sprach von einer "Unterinvestition in Humankapital".

Nur wenige Politiker fordern eine effektive Bevölkerungspolitik, zum Beispiel der hessische CSU-Abgeordnete Martin Hohmann. Die Bevölkerungspolitik wäre einfach einzuführen: Man braucht kein "Mutterkreuz", sondern zusätzlich zu den heutigen Instrumenten ein steuerliches Familiensplitting (das Familien-Einkommen wird nicht mehr durch zwei, Vater und Mutter, sondern durch die Zahl der Familienmitglieder geteilt). Dadurch würde den Familien finanziell endlich wieder Luft zum Atmen gegeben, ein Anstieg der Geburtenzahlen wäre vorprogrammiert. Aber solange der Bau von Single-Appartements steuerlich besser gefördert wird als das Aufziehen von Kindern, ist etwas faul im Staate Deutschland.


 
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