© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/00 07. Juli 2000

 
Gewaltsam unterhaltsam
Kino: "Mission: Impossible 2" von John Woo
Claus-M. Wolfschlag

Action-Kino stellt die immer ähnliche Kombination gleicher Elemente dar: Der Kampf zwischen schwarz und weiß, gut und böse, die Reduzierung der Moral auf den persönlichen Blickwinkel, die Darstellung von Gewalt als einziges Mittel zur Lösung von Konflikten und die Faszinierung des Publikums durch Effekte. Produzent Tom Cruise ("Die Kadetten von Bunker Hill", "Top Gun", "Eyes Wide Shut") und Regisseur John Woo haben soeben ein neues Produkt dieser Sparte auf den Markt geworfen – den zweiten Teil des Action-Spektakels "Mission: Impossible".

Die Geschichte bildet auch hier nur den Rahmen für die Darreichung der Kampfszenen: Spezialagent Ethan Hunt (Tom Cruise) wird mit einer internationalen Krise beängstigenden Ausmaßes konfrontiert. Bösewicht Sean Ambrose (Dougray Scott) ist dabei, eine Art Killervirus in seine Gewalt zu bringen, mit dessen Hilfe er Druck auf die politische Welt auszuüben und eine Menge Geld zu scheffeln erhofft. Mit Hilfe der Computer-Genies Luther Stickell (Ving Rhames) und der hübschen Diebin Nyah Hall (Thandie Newton) versucht Hunt dem skrupellosen Schwerverbrecher zuvorzukommen und den gefährlichen Kampfstoff zu vernichten – eine hochkomplizierte Aufgabe, die viel technischer Planung verlangt.

"M:I-2" bildet einen vorläufigen End- und Höhepunkt des Genres. Zahlreiche klassische Motive des Krimi- und Actionfilms werden eklektizistisch kombiniert und zu einer trickreichen Mixtur verbunden: Ein wenig Mondänität von James Bond, Karatekämpfe à la Jean-Claude van Damme, das verwirrende Spiel mit täuschend echten Gesichtsmasken, wie es den Zuschauern vor Jahrzehnten bereits bei Fantomas begegnet ist, und dazu jede Menge pyromanische Effekte. Langsameren Zuschauern dürfte es bisweilen schwerfallen, der rasanten Handlung zu folgen, doch das ist auch nicht wichtig. Schließlich geht es nur darum, sich an den blitzenden, knallenden und brennenden Eindrücken zu ergötzen, da das Geschehen auf der Leinwand derart irrwitzig und irreal ist, daß Identifikation mit den Figuren oder die Beschäftigung mit deren Seelenleben überflüssig sind. Jeder durchschnittliche Leser dieser Zeilen hätte als Protagonist in dieser Geschichte allenfalls einen Kurzfilm zustande bringen können – nach zwei, drei Minuten wäre unweigerlich das Ende gekommen, aufgrund diverser Knochenbrüche oder Verbrennungen, schlechtestenfalls gar des frühzeitigen Ablebens. Nicht so Ethan Hunt, der kaum die jungenhafte Contenance verliert, schließlich sollen 122 Minuten Zelluloid gefüllt werden.

Als Fan der TV-Serie "Kobra, übernehmen Sie", die in den späten sechziger und frühen siebziger Jahren in den USA ausgestrahlt wurde, kam Tom Cruise auf den Gedanken, als Produzent und Hauptdarsteller das Geschehen zum Kinofilm weiterzuentwickeln. 1996 realisierte er diese Idee und landete mit "Mission: Impossible" einen Kassenschlager. Der Film spielte weltweit rund 450 Millionen Dollar ein. Paula Wagner, Cruises Produktionspartnerin, äußerte hierzu: "Tom liebte die Raffinesse dieser Gruppe von Leuten, die Probleme löste, indem sie sich aller traditionellen Methoden entledigten." Romantik und Dramatik wurden dazu mit Abenteuer und Action durchsetzt. Das Geschehen wurde angereichert mit recht schönen Landschaftsaufnahmen, unter anderem von den Bergen in Utah und im Hafen von Sydney und der Darstellung einer bisweilen etwas kühlen High-Tech- und High-Society-Welt, von der nicht nur Yuppies in den westlichen Ländern träumen.

Cruises Regie-Wahl fiel wie beim ersten Teil von "Mission: Impossible" auf John Woo (54), der seine Karriere als Filmemacher in Hongkong begann und vor allem durch seine Kampfsportfilme mit den Action-Superstars Jackie Chan und Jean-Claude van Damme international bekannt wurde.

Nach 122 Minuten bleibt jedoch die entscheidende Frage im Raum stehen: Kann es nach Filmen wie "M: I-2" noch eine Weiterentwicklung des Action-Genres geben? Vermutlich nicht. Dem Genre wird seine Funktion im Angebot der "Brot und Spiele"-Bequemlichkeiten unserer Mediengesellschaft erhalten bleiben. Aber Steigerungen in diesem Bereich scheinen momentan kaum denkbar, ohne sich der Action-Klassifizierung zu entziehen und mittelfristig wieder in den Bereich des Dramas, Psycho-Thrillers oder der Komödie hinüberzuschwappen.


 
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