© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/00 07. Juli 2000

 
CD: Pop
Reminiszenz
Holger Stürenburg

Als sich Mitte der achtziger Jahre Punk und die daraus entstandene New Wave endgültig überall etabliert hatten und die ersten Anzeichen einer Totkommerzialisierung einsetzten, war der "Post Punk" geboren: eine Mischung aus düsterem Gitarrensound, der Schnelligkeit des Punk, jedoch durchaus verbunden mit einer großen Portion Romantik und Schöngeistigkeit.

Post Punk wurde weniger von britischen denn vor allem von amerikanischen Bands gespielt. Eine davon, und sicherlich kommerziell wie künstlerisch die erfolgreichste und beste, war Hüsker Dü. Ihr erstes Majoralbum "Candy Apple Grey" war der Insidertip der mittleren Achtziger, bevor der dreiköpfigen Rockband mit dem genialen Doppelalbum "Warehouse: Sounds and Stories" der Höhepunkt ihrer Karriere gelang. Treibende, düstere Stücke wie "Standing in the Rain" zählen noch heute zu den geheimen Rockklassikern der damaligen Studentengeneration.

Aber "Warehouse" bedeutete zugleich auch den Schwanengesang der persönlichkeitsstarken Gruppe. Bereits Ende 1987 waren Hüsker Dü zum Leidwesen ihrer wachsenden Fangemeinde Geschichte. Während Frontmann Bob Mould die Band Sugar gründete, mit der er seine Klangkaskaden Hüsker Dü-ähnlich weiterführte, später gar mit einer Akustikband auftrat, wechselte Schlagzeuger Grant Hart bald an die Gitarre, gründete die Band Nova Mob, um diese 1996 wieder ruhen zu lassen und nun als Singer/Songwriter in die – inzwischen vom MTV-Grunge-Overkill nahezu zerstörte – amerikanische Rockszene zurückzukehren.

Grant Hart orientierte sich bereits bei seinen Nova Mob-Songs musikalisch deutlich an den sechziger Jahren. Beatles- und vor allem Beach-Boys-Anklänge sind auch auf seinem aktuellen Soloalbum "Good News for a Modern Man" deutlich zu vernehmen. Allerdings scheint sich Hart inzwischen zusätzlich mit den frühen Siebzigern und den frühen Achtzigern angefreundet zu haben. Viel öfter als früher scheint der große David Bowie seiner "Scary Monsters"-Phase in Songs wie "You don’t have to tell me now", "Teeny’s Hair" oder "Nobody rides for free" Pate zu stehen. Auch knalligen Waveklängen à la Depeche Mode oder The Stranglers ist Grant Hart nicht abgeneigt, wie etwa das keyboardlastige "In a cold House" und das "Golden Brown"-ähnliche "Remains to be seen" beweisen.

Zum Stärksten, was Grant Hart je komponiert und getextet hat, zählt die gitarrenlastige Ballade "Letter from Anne Marie". Das Stück – vielleicht als Single ausgekoppelt – könnte sich bald auf Platz eins der amerikanischen "College Radio-Charts" wiederfinden. In einem Interview erzählt der Musiker: "Seit ’Metal Circus‘ war jedes Hüsker-Dü-Album Nr. 1 der College Radios, ich denke, ’Good News for a Modern Man‘ knüpft nahtlos an diese Tradition an."

Ob die CD tatsächlich für hypermoderne Männer gute Nachrichten bedeutet, sei dahingestellt. Fest steht jedoch, daß das Album, das man wie eine Vinyl-LP hören sollte – erst die rockigen ersten sechs Songs, und nach einer Pause die positiv-schrägen restlichen fünf – eine deutliche Rückkehr Harts zum Post Punk einerseits und zur einst mit Hüsker Dü praktizierten Experimentierfreudigkeit andererseits zeigt. Amerikanische Collegestudenten werden sicherlich dafür sorgen, daß die "guten Neuigkeiten" in Grant Harts Heimat bald mit "Candy Apple Grey" und "Warehouse: Sounds and Stories" in einem Atemzug genannt werden.

Wie die deutschen Rockfreunde reagieren, bleibt abzuwarten, obgleich ihnen anzuraten ist, sich "Good News for a Modern Man" umgehend zuzulegen und nachzudenken, wie schade es eigentlich ist, daß es Hüsker Dü seit fast 13 Jahren nicht mehr gibt.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen